Marco Waltenspiel: "Ich möchte jetzt die Ästhetik des Fliegens in den Vordergrund stellen."

Foto: RB Content Pool

Sicherheit geht vor, die Ausrüstung wird stets mit Akribie verpackt: "Ich schaue mir lieber alles zehnmal an."

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Der Flug von Uli Emanuele macht dieser Tage die Runde. Mit einem Wingsuit schießt der Südtiroler am Schweizer Dirlocherhoren durch eine Felsöffnung von weniger als drei Meter Durchmesser. Wohlgemerkt mit 160 km/h. Der Sprung wurde schon im vergangenen Herbst durchgeführt, fand aber erst jetzt seinen Weg ins Internet.

Don't try this at home. Und in den Bergen besser auch nicht. Uli Emanuele am Limit.
GoPro

Teufelskerl nennen ihn die einen. Nicht ganz dicht in der Marille, sagen die anderen. Soweit würde Marco Waltenspiel, Mitglied des "Red Bull Skydive"-Teams, nicht gehen, der Österreicher flog einst selbst wie das Kamel durch ein Nadelöhr. Er stieg 2013 in 3.500 Meter aus einem Helikopter und flog durch einen sechs Meter breiten Krater auf der Zugspitze. Auch nicht schlampert.

Marco Waltenspiel fliegt über die Zugspitze. Viel Platz hat er dabei nicht.
olaf crato

"Extremes habe ich oft genug gemacht", sagt Waltenspiel im Gespräch mit dem STANDARD. Wenn der 31-Jährige von Extremen spricht, meint er das Proximity-Fliegen, also das Suchen der Nähe zu solidem Material. Die Szene hat die Möglichkeiten diesbezüglich ausgereizt. Wer noch einen draufsetzen möchte, wer mit der Kamera auf dem Kopf zum Youtube-Helden werden will, muss ein kaum noch kalkulierbares Risiko in Kauf nehmen. Zwar kann Waltenspiel dank der Erfahrung von rund 4.500 Sprüngen, den "Flug auf einen halben Meter genau steuern", aber Felswände geben in der Regel nicht nach. Der klügere Waltenspiel schon. "Ich möchte jetzt die Ästhetik des Fliegens in den Vordergrund stellen." Es soll um Formationen, Choreografien, die Ausarbeitung von Ideen gehen.

Neue Wege

Das Projekt "Gravitas" unterstreicht die nun dominierenden Ambitionen. Gemeinsam mit Marco Fürst, Georg Lettner und Dominic Roithmair flog Waltenspiel in einer schönen Sommernacht zum Sound der Drum-and-Bass-Produzenten Camo & Krooked. Mit Leuchtdioden und reichlich Funkenschlag ging es im Rhythmus der Musik zu Boden.

Der Spaß wurde natürlich gefilmt, ein knapp dreiminütiges Video produziert. Auch der gelernte Elektrotechniker Waltenspiel muss seine Rechnungen begleichen und also seine geflügelten Abenteuer vermarkten. Bisweilen läuft das Geschäft anständig, sein Skydive-Team wird rund um den Globus gebucht, oft in Verbindung mit anderen von Red Bull organisierten Events.

Bei Gravitas steht der ästhetische Aspekt des Skydivens im Vordergrund.

Sicherheit wird trotz der Abkehr von hochriskanten Sprüngen großgeschrieben, Routine darf sich nicht einschleichen. Einerseits wird vor jedem Flug die Wetterlage studiert, andererseits wird die Ausrüstung stets mit Akribie verpackt: "Ich schaue mir lieber alles zehnmal an." Die Nähe zu den anderen Springern stellt bei den Formationen ein berechenbares Risiko dar. "Unabsichtliche Berührungen passieren, sind aber kein Problem, da wir ohnehin mit der gleichen Geschwindigkeit unterwegs sind."

Nächste Herausforderung

Das nächste Projekt haben Waltenspiel und seine Kumpanen im Kopf. Die schönsten Plätze Österreichs sollen beflogen werden, Landschaften dabei in den Vordergrund rücken: "Wir sind noch auf der Suche nach Hotspots, kennen aber freilich einige gute Ecken." Ende September soll es so weit sein – und auch ohne lebensverneinenden Nervenkitzel die Runde machen: "Adrenalin ist nebensächlich." (Philip Bauer, 7.7.2015)