Bei der Vorbereitung eines "Andrea-Kdolsky-Gedenkschweinsbratens", den wir jedes Jahr im Andenken an die Kurzzeit-Gesundheitsministerin 2007–08 zelebrieren, kommt einem angesichts der derzeitigen Diskussion ums Rauchen einiges in den Sinn. Diese Ministerin, deren Namen heute kaum jemand mehr kennt, hat Österreich immerhin ein bemerkenswertes Tabakgesetz hinterlassen! Aber auch ein bemitleidenswertes, da es im Ranking der "patschertsten" Gesetze Österreichs sicher einen absoluten Spitzenplatz beanspruchen kann. Man vergaß im Gesetz auf eine wirksame Kontrollinstanz, der Text enthielt zahlreiche Hintertüren und Unklarheiten. Kein Wunder, dass sich laut einer Studie in Wien-Neubau nahezu kein Gastgewerbebetrieb an das Gesetz hielt (in 80 Prozent der Lokale mit Raucherlaubnis schwere Verstöße, in 99 Prozent leichte).

Mit einer sogenannten "authentischen Interpretation" wurde 2014 ein Reparaturversuch gestartet: Nun war es wieder erlaubt, Raucherbereiche in Lokalen zu durchschreiten. Letztendlich taten sich trotzdem alle recht schwer mit diesem Gesetz, sowohl die Raucherlobby unter den Wirten, die das Gesetz als ungebührliche Einschränkung ihrer eingebildeten Freiheit empfand, als auch die zahlreichen wohlmeinenden Ärzte, Rauchersheriffs und Juristen, die mit Häme über das unglückliche Gesetz herzogen.

Nichts aus der Vergangenheit gelernt

Im Herbst 2014 tat sich ein kurzes "window of opportunity" auf, es kam zu der unerwarteten Entscheidung der Koalitionspartner, die Missstände des Tabakgesetzes 2008 zu reparieren, um nicht vollständig zur Lachnummer Europas in Hinblick auf den Nichtraucherschutz zu werden. Nicht zuletzt waren es auch die erfolgreich geführten Wettbewerbsklagen, die zu dieser Entscheidung des frischgebackenen VP-Chefs Reinhold Mitterlehner beitrugen, das Eis zu brechen. Nun ist die Katze aus dem Sack: Die Novelle wird diese Woche im Nationalrat beschlossen. Dies scheint erst mal ein recht positiver Schritt: Ab 2018 gilt ein totales Rauchverbot in Gastronomiebetrieben, Shishas, E-Zigaretten und anderes Rauchzeugs werden dem Tabak gleichgestellt.

Es wäre aber nicht Österreich, hätten wir aus der Vergangenheit gelernt und wie andere Staaten klare, verständliche Regelungen mit spürbaren Sanktionen durchgezogen. Es wurde dagegen in mutloser Weise gezaudert und am Text herumgezerrt, sodass vom hehren Anliegen des umfassenden Nichtraucherschutzes nur mehr ein kleiner Teil übrig blieb.

Dabei kann niemand behaupten, dass nicht gewarnt wurde: Zahlreiche namhafte Institutionen wie beispielsweise technische Normungsgremien und AUVA haben im Begutachtungsprozess ihre Einwände formuliert, die aber bis auf Marginalien ignoriert wurden. Die ursprüngliche Intention wurde durch die entbehrlichen Einflüsterungen der letzten Mohikaner der Nikotin verehrung (© Alfred Dorfer) in der Wirtschaftskammer und anderer Grüppchen bis über die Schmerzgrenze verwässert.

Zwangsberauchung im Auto

So darf nach wie vor in Krankenhäusern geraucht werden, vermutlich um die Patienten schneller unter die Erde zu bringen. Da für Raucherräume zudem keine wie immer gearteten Lüftungsvorgaben, wie dies etwa in Italien seit Jahren gesetzlich geregelt ist, vorgeschrieben wurden, ist davon auszugehen, dass sich der blaue Dunst im gesamten Gebäude verteilt. Eltern dürfen ihre Kinder im Auto oder der Wohnung straffrei zwangsberauchen – eine besonders perfide Form der Kindesmisshandlung –, und in Hotels ist ein eigener Raucherraum möglich. Ein Schelm wäre, wer Böses dabei denkt: Es ist ja völlig ausgeschlossen, dass Raucher aus den meist angeschlossenen Gastgewerbe betrieben in diesen Räumen zum Qualmen auftauchen. Wettbewerbsklagen stehen hier mit Sicherheit ins Haus, da diese Ausnahme normalen Wirten ohne Hotelbetrieb nicht erlaubt ist.

Es ist auch völlig unverständlich, dass erneut keine konsequente öffentliche Kontrolle zur systematischen Überprüfung der Vorgaben des Gesetzes vorgesehen wurde. Franz Kafka lässt grüßen: Nur bei offensichtlichen Verstößen sollen Arbeitsinspektoren eine schriftliche Meldung an den Magistrat abgeben, Beamte recherchieren dort vom Schreibtisch weg und sprechen meist erst nach Monaten Bescheide aus (gegen die wird in der Regel sofort Einspruch erhoben). Dieser Weg hat sich schon in der Vergangenheit als teuer, aufwendig und völlig untauglich erwiesen. Neuerlich müssen wir uns wieder auf private Rauchsheriffs verlassen, die mit ihrem zivilgesellschaftlichen Engagement fehlende öffentliche Kontrollen ersetzen.

Ein Fressen für die FPÖ

Das Inkrafttreten der wesentlichen Punkte der Novelle im Jahr 2018 kurz vor den Nationalratswahlen löst ebenfalls ungläubiges Kopfschütteln aus. Die FPÖ ist nämlich strikt gegen das Gesetz und reibt sich schon die Hände ob des für sie perfekten Wahlkampfthemas "Freiheit für Raucher". Zusammenfassend wurde ein gesundheitspolitisch mehr als sinnvolles Anliegen sehenden Auges vergeigt: Pfusch 2.0. (Peter Tappler, 5.7.2015)