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Noch fehlt der Sanktus des Staatsrats für die Volksabstimmung über neue Griechenland-Hilfen. Befindet das Höchstgericht das Referendum für verfassungswidrig, wäre eine Abstimmung nichtig.

Foto: AP / Petros Karadijas

Athen/Wien – "Nein zu den Erpressern", steht auf dem Leintuch, das an einer Ecke des Plastira-Platzes im Zentrum von Athen hängt. Doch ob die Losung von Anhängern der linksstehenden Regierungspartei Syriza verfängt, ist nicht mehr so sicher: Der Ausgang beim Volksentscheid am Sonntag über das Kreditabkommen dürfte knapp werden. Ein Meinungsforschungsinstitut distanzierte sich am Donnerstag von der Veröffentlichung seiner Umfrage, die erstmals die Ja-Stimmen in Führung sah; es handelte sich nur um Teilergebnisse. Finanzminister Yanis Varoufakis kündigte am Donnerstag bereits seinen Rücktritt an und den der gesamten Regierung, sollten die Griechen sich tatsächlich so entscheiden.

Der Druck auf die Links-rechts-Regierung von Premier Alexis Tsipras steigt dabei stündlich. Drei Abgeordnete des rechten Koalitionspartners Anel distanzierten sich vom Referendum, 264 Wirtschaftsprofessoren griechischer Universitäten riefen zum Ja auf, die früheren Premierminister Kostas Simitis (1996 bis 2004) und Kostas Karamanlis (2004 bis 2009) wandten sich mit derselben Botschaft an die Öffentlichkeit.

Bankomatenschlange

Vor den Bankomaten in der Hauptstadt standen die Menschen weiter Schlange, um ihr tägliches Limit von 60 Euro Bargeld abzuheben. Der zweite Tag der Pensionsauszahlung schien geordneter zu verlaufen. Bankangestellte ließen die Pensionisten nach und nach in die Schalterhallen ein. Die Regierung hält bis heute, Freitag, landesweit tausend Banken offen, um eine erste Pensionsrate von 120 Euro auszuzahlen.

Das Höchstgericht will am Freitag darüber entscheiden, ob die geplante Volksabstimmung über den Spar- und Reformkurs rechtmäßig ist. Beschwerde hatten am Mittwoch zwei Bürger eingebracht, ein Ingenieur und ein Jurist. Sie sind der Ansicht, dass die Abstimmung nicht den Anforderungen der Verfassung entspreche, und erhoffen eine einstweilige Verfügung. Griechische Verfassungsrechtler räumten der Klage laut Medienberichten allerdings kaum Chancen ein.

Kundgebungen

Premier Tsipras will auf einer Kundgebung gegen das Kreditabkommen sprechen; die "Pro-Europäer" werden zur selben Zeit vor dem Panathinaikos-Stadion demonstrieren. Durch die griechische Bevölkerung zieht sich ein tiefer Graben. Wer auf welcher Seite steht, ist freilich nicht so klar, wie manch einer vermuten würde. Hört man sich auf den Straßen um, gibt es Staatsangestellte oder Pensionisten, denen bei einer Zustimmung drastische Einschnitte drohen und die trotzdem ihr Kreuzchen hinter dem "Ja" machen wollen. Und es gibt Unternehmer, die Wettbewerbsnachteile fürchten müssen, sollte ihr Land tatsächlich infolge eines "Neins" aus dem Euro fliegen. Dennoch lehnen sie die geforderten Reformen ab, für die im Gegenzug weitere Milliardenhilfen fließen sollen.

Reformvorschläge

Am Referendum über die Reformvorschläge der internationalen Gläubiger scheiden sich auch bei den Europartnern die Geister. Auf dem Feld der Spitzenpolitik haben die Spieler ihre Positionen besetzt. Zahlreiche europäische Staats- und Regierungschefs plädieren für ein "Ja". Eurogruppenchef Jeroem Dijesselbloem warnte vor einer Ablehnung. Ein "Ochi" werde die Verhandlungsposition des Landes nicht stärken und sowohl Griechenland als auch Europa in eine "sehr schwierige" Lage bringen. Das Referendum werde zeigen, ob die Befürworter auch bereit seien, die dafür nötigen Sparmaßnahmen zu akzeptieren. Frankreichs Finanzminister Michel Sapin hingegen stellte bei einem "Nai" der Griechen umgehende Verhandlungen über Reformen und Hilfszahlungen in Aussicht. Rasch, nämlich gleich am Montag, mit den Gläubigern verhandeln will auch Varoufakis. Die Regierung sei bereit, harte Auflagen zu akzeptieren, wenn die Tragfähigkeit der griechischen Schuldenlast gesichert sei.

Klarheit

IWF-Chefin Christine Lagarde erhofft sich vom Votum zumindest Klarheit über die Position Athens. Ehe dem Land von den Europartnern Schulden erlassen werden könnten, müsse es aber Reformen geben. Die Europäische Zentralbank (EZB) will sich laut Reuters am Montag über die Notfallhilfen für griechische Banken beraten. Derzeit sind die Notfallkredite ("ELA-Hilfen") am Limit. (Markus Bernath, Luise Ungerboeck, 2.7.2015)