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Kanzlerin Angela Merkel hat Redebedarf und ließ Kanzleramtschef Peter Altmaier (rechts) US-Botschafter John Emerson einladen.

Foto: APA/dpa/Kay Nietfeld

Es ist eine höfliche Einladung, die Kanzleramtschef Peter Altmaier am Donnerstagnachmittag ausgesprochen hat, keine förmliche "Einbestellung", wie man in Regierungskreisen betont. Doch US-Botschafter John Emerson wird wissen, was er zu tun hat: raus aus seiner Botschaft am Pariser Platz, durchs Brandenburger Tor rüber zu Altmaier und Angela Merkel ins Kanzleramt.

Wieder einmal geht es um die NSA und deren Spionagetätigkeit in Deutschland. Nach Informationen von der Plattform Wikileaks spähte die NSA nicht nur Angela Merkel, sondern auch weite Teile der deutschen Regierung aus. Das ergebe sich aus der Analyse einer 69 Positionen umfassenden Liste mit Suchbegriffen, berichtet die "Süddeutsche Zeitung" in Zusammenarbeit mit NDR und WDR.

Merkel in Vietnam abgehört?

Die Liste soll aus der Zeit zwischen 2010 und 2012 stammen. Interessiert habe sich die NSA für die deutsche Wirtschafts- und Finanz-, Handels- und Landwirtschaftspolitik. Merkel selbst sei bei einem Gespräch mit einer Mitarbeiterin am 11. Oktober 2011 in Vietnam abgehört worden. Sie habe damals erklärt, sie sei "unsicher bei der Lösung griechischer Probleme" und schwanke zwischen Schuldenschnitt und Transferunion, heißt es in einer Notiz, aus der die "Süddeutsche" zitiert.

Auch der damalige Oppositionschef und heutige Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) sei abgehört worden. "Das ist skandalös und absurd", erklärte er am Donnerstag und empfahl all jenen, die sich für seine Politik interessierten, doch einfach die Zeitungen zu lesen.

Neue Ermittlungen

In Berlin fragt man sich nun, ob der Bundesnachrichtendienst (BND) der NSA auch beim Abhören deutscher Politiker geholfen haben könnte. Patrick Sensburg (CDU), Chef des NSA-Untersuchungsausschusses, glaubt das nicht: "Dies wäre verfassungswidrig." Der Ausschuss wird sich damit beschäftigen, Generalbundesanwalt Harald Range ebenfalls.

Er prüft mögliche neue Ermittlungen. Die Untersuchungen bezüglich des abgehörten Handys der Bundeskanzlerin hat er vor drei Wochen eingestellt, da sich "der Vorwurf mit den Mitteln des Strafprozessrechts nicht gerichtsfest beweisen" lassen habe.

Sorgloser Umgang mit Thema Sicherheit

Die "Zeit" berichtet, das Auswärtige Amt habe nach Edward Snowdens Enthüllungen diplomatische Vertretungen in den USA, Frankreich und Großbritannien auf Wanzen untersucht. Der BND habe jedoch nichts gefunden. Deutsche Diplomaten seien bis zur Aufdeckung der Späh-Affäre 2013 gefährlich sorglos mit dem Thema Sicherheit umgegangen.

Eine Prüfung deutscher Botschaften durch den Bundesnachrichtendienst habe ergeben, dass abhörsichere Besprechungsräume nicht konsequent genutzt und Telefonanlagen so programmiert worden seien, dass andere unbemerkt Gespräche hätten mithören können. (Birgit Baumann aus Berlin, 2.7.2015)