Samsung liefert seine aktuellen Smart-TVs mit Tizen aus.

Foto: Andreas Proschofsky / STANDARD

Es ist unübersehbar: Samsung setzt immer stärker auf das eigene Betriebssystem Tizen. Was von so manchen Beobachtern jahrelang als Totgeburt bezeichnet wurde, findet nun in immer mehr Geräten des südkoreanischen Hardwareherstellers seinen Einsatz. Neben Kameras, Smartwatches und einem einzelnen Smartphone-Modell hat sich in den letzten Monaten eine weitere Kategorie hinzugesellt: Fernseher. Ist doch praktisch die gesamte aktuelle TV-Generation des Unternehmens mit dem Linux-basierten System ausgestattet.

Viel Bekanntes

Ein großer Bruch mit der Vergangenheit ist dies freilich nicht, immerhin verwendete Samsung schon in den vergangenen Jahren eine Linux-Variante für sein Smart-TV-System. Auch sonst wird jenen, die frühere Samsung-Smart-TV-Systeme kennen, so manches bekannt vorkommen, wie der STANDARD in einem Hands-On feststellen konnte.

Was gibt es Neues

Doch zunächst zu den Neuerungen: Es gibt jetzt eine Funktion zum Schnellaufruf der wichtigsten Apps, die am unteren Bildschirmrand über das aktuell Fernsehbild eingeblendet wird. Für diese hat man sich recht augenscheinlich von LGs aktueller Smart-TV-Oberfläche inspirieren lassen. Zumindest ist der Zugriff hier wirklich umgehend, was bei früheren Smart-TV-Generation ja auch nicht immer der Fall war.

Nutzungserfahrung

Die Vollbildschirmansicht und die Darstellung der einzelnen Apps kommt einem hingegen schnell bekannt vor. Leider bedeutet dies auch, dass Samsung wenig gegen die bisherigen Usability-Defizite gemacht hat. Vieles ist hier schlicht zu komplex für die Fernsehernutzung. So finden sich im Interface viele Stellen wo die Zahl der dargestellten Elemente so hoch ist, dass die Navigation mühsam wird. Samsung versucht dies zu umschiffen, indem mittels Fernbedienung ein Mauszeiger am Bildschirm gesteuert werden kann – was für solch ein Umfeld aber eine vollkommen untaugliche Eingabemethode ist.

Apps

Eine gute Nachricht ist, dass Samsung zahlreiche Softwarehersteller dazu gebracht hat, ihre Apps für das neue System anzupassen. Von Netflix über Plex bis zur ORF TVThek werden also die essentiellen Dinge bereits abgedeckt. Zur Erstellung der Apps nutzt Samsung aktuelle Webtechnologien wie HTML5. Positiv an den Apps ist zu vermerken, dass diese zum Teil für die Fernbedienung besser geeignete – also einfacher gehaltene User Interfaces – anbieten. Leider heißt dies auch, dass es keinen wirklichen roten Faden im Oberflächendesign gibt, was der Gesamt-User-Experience ziemlich abträglich ist. Dass man noch nicht ganz durchschaut hat, was sich für einen Fernseher eignet und was nicht, zeigt auch, dass weiter ein Webbrowser mitgeliefert wird – noch dazu im Desktop-Design, was die Nutzung zur Pein macht.

Defizite

Was ebenfalls auffällt: Viele Apps werden mit niedriger Auflösung als das Kern-User-Interface dargestellt, was sich vor allem an verschwommenen Schriften bemerkbar macht. Zumindest die Video-Inhalte sind davon allerdings nicht betroffen. Weniger erfreulich ist, dass die App-Übersicht beim Scrollen durch das Angebot ein deutliches Ruckeln aufweist.

Verbindung

Wer sein Smartphone oder Tablet mit dem TV verbinden will, für den hat Samsung mit wie gewohnt mit Quick Connect eine eigene App im Angebot. An herstellerübergreifende Lösungen wie Google Cast hält man sich hingegen nicht.

Fazit

Alles in Allem hinterlässt Tizen auf den neuen Samsung Smart-TVs einen eher gemischten Eindruck. Klar: Im Vergleich zu früheren Smart-TV-Generation des Hardwareherstellers ist ein gewisser Fortschritt zu erkennen, die App-Unterstützung kann sich ebenfalls sehen lassen. Gerade im Vergleich zu Googles Android TV und dessem einheitlichen Material Design wirkt Samsungs aber mittlerweile reichlich altbacken und inkonsistent. Nicht dass Google bei seinem System selbst alles richtig machen würde – bei weitem nicht – trotzdem ist der Unterschied überraschend groß. Für künftige Softwaregenerationen bleibt zu hoffen, dass Samsung dem Trend zur Vereinfachung folgt – wenn man schon unbedingt eigene Wege beschreiten muss. (Andreas Proschofsky, 2.7.2015)