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Vor kardinalischem Purpur: Xavier Naidoo (li.) bei der Echo-Preisverleihung an Andreas Gabalier im März in Berlin. Da mag vor Ergriffenheit wieder so manche Kinnlade gebebt haben.

Foto: apa/dpa / Britta Pedersen

Wien – Er rührte Andreas Gabalier zu Tränen, als er Amoi seg' mia uns wieder sang. Das war bei Sing meinen Song – Das Tauschkonzert. Xavier Naidoo saftelte sich in der bei Vox gezeigten Show durch Gabaliers Jenseitsfantasie. Ein Lied wie ein Schmalzfass. Und wahrscheinlich hat auch bei so manchem "Reichsbürger" die Kinnlade gebebt, als der Naidoo im Vorjahr behauptete, Deutschland sei noch von den USA besetzt.

Eine Verschwörungstheorie, die dem Kanon der rechtspopulistischen "Reichsbürger" entspringt. Sie erkennen den deutschen Staat nicht an, sondern gehen davon aus, dass das Deutsche Reich im Zwangskorsett der Bundesrepublik nach wie vor besteht. Das war nur eine von vielen fragwürdigen Aussagen und Aktionen des Xavier Kurt Naidoo.

Der 43-Jährige ist einer der erfolgreichsten deutschen Popstars. Begonnen hat er mit den Söhnen Mannheims, mittlerweile ist er meist als Solokünstler unterwegs, am Samstag tritt er in Wien vor 8500 Zusehern auf der ausverkauften Kaiserwiese vorm Riesenrad auf, am 17. Juli in Dornbirn.

Der in Mannheim geborene Sänger wurde mit einer Musik bekannt, die "deutscher Soul" genannt wird. Ein Scherz. Zwar orientiert sich Naidoo formal an Hip-Hop und schmusigem R'n'B, über missionarischen Schlager ist er damit jedoch nicht hinausgekommen. Sein Katholizismus bedingt zudem einen fürbittenden bis predigenden Tonfall, der unfreiwillig komisch erscheint und sich in Titeln wie Führ mich ans Licht, Nicht von dieser Welt oder Bitte hör nicht auf zu träumen niederschlägt. Und in Erfolg. In Österreich und Deutschland steigen seine Alben regelmäßig an die Spitze der Charts. Soll alles sein, schlechte Musik in den Charts ist ja nichts Neues.

Gewaltfantasien

Mittlerweile hat er sich aber zu einem Populisten mit rechter Schlagseite gewandelt, mit ein paar fundamental-christlichen Ansichten inklusive. Auf dem mit Rapper Kool Savas veröffentlichten Album Gespaltene Persönlichkeit setzt er im vollkommen durchgeknallten Lied Wo sind sie jetzt Homosexualität mit Pädophilie gleich und lässt sich zu Gewaltfantasien hinreißen. Alles natürlich aus Sorge um die Kinder.

Oder er verbreitet in Raus aus dem Reichstag schlecht getarnten Antisemitismus: "Wie die Jungs von der Keinherzbank, die mit unserer Kohle zocken. Ihr wart sehr, sehr böse und steht bepisst in euren Socken. Baron Totschild gibt den Ton an, und er scheißt auf euch Gockel. Der Schmock ist 'n Fuchs, und ihr seid nur Trottel."

Naidoo insistiert darauf, die Liebe zu repräsentieren. Seine Familie habe die Apartheid in Südafrika erlebt, er wisse, wie schrecklich das alles sei. Das alles beginnt für Naidoo mit den Anschlägen auf das New Yorker World Trade Center. Seit damals gebe es in der Welt nur noch Verschwörung und Überwachung, begleitet von den Medien als willfährigen Handlangern des Bösen. Wer das nicht sehe, lebe hinter einem Schleier. Von derlei Wirrwarr bis zur "Lügenpresse" ist es nur noch ein i-Pünktchen.

Für diesen Quatsch bekam er im Vorjahr das "Goldene Brett vorm Kopf" verliehen. Einen ironischen "Negativpreis für den größten antiwissenschaftlichen Unfug des Jahres". In der Begründung heißt es: "Xavier Naidoo wird zur Einstiegsdroge der Irrationalität, die mit pathetischer Musik beginnt und bei Chemtrails und Weltverschwörungsparanoia endet."

Der Messias und die Nazis

Naidoo rechtfertigt sich derweil mit Jesus. Der sei sein Vorbild, der sei auf alle zugegangen. Und obwohl er früher Morddrohungen aus der rechten Szene erhalten habe, gehe er auf diese zu, sonst sei er nur ein lauwarmer Christ, und das möchte er nicht sein, sagte er in einem Beitrag des südwestdeutschen Rundfunks. "Liebe die Nazis wie dich selbst" steht zwar nirgendwo in der Bibel, aber er sieht alle Systemkritiker in Gefahr, und dazu scheint er sogar Nazis zu zählen.

2010 erfuhr Naidoo selbst die volle Härte des "Systems". Damals wollte er sich einer Anzeige gegen den damaligen deutschen Bundespräsidenten Horst Köhler anschließen und marschierte auf eine Wachstube. Nachdem er sein Anliegen vorgetragen hatte, Köhler wegen Hochverrats anzeigen zu wollen, bat man ihn erst einmal zum Alkoholtest.

Ob es dazu kam, weiß man nicht. Im Falle eines positiven Ergebnisses hätte er wenigstens eine Ausrede gehabt. (Karl Fluch, 3.7.2015)