Kommende Woche starten die Seefestspiele in Mörbisch. Zu Hause bevorzugt Intendantin Dagmar Schellenberger einen weniger theatralischen Stil, erfuhr Wojciech Czaja. Jetzt fehlt nur noch der Marillenbaum.

"Ich liebe diesen Ort. Erstens erinnert mich der Neusiedler See ein bisschen an meine Heimat im Bayerischen Vogtland, auch wenn der See hier größer und die Luft frischer ist, und zweitens empfinde ich die Gegend als eine wahnsinnig reiche, kulturell wohlhabende Region. Mörbisch ist für mich ein Ort der Entschleunigung. Ich schlafe hier wie ein Baby. Und wenn ich aus St. Margarethen kommend über den letzten Hügel fahre und sich vor mir plötzlich der See mit seinem Schilfgürtel ausbreitet, dann ist das, als wäre ich auf Urlaub.

"In Mörbisch schlafe ich wie ein Baby." Dagmar Schellenberger in ihrer, wie sie selbst meint, Wohnstilmischung aus "Figaros Hochzeit" und Barbra Streisand.
Foto: Lisi Specht


Zu Beginn meiner Intendanz 2012 hatte ich ein Haus gemietet. Doch dann, als sich die Chefin hier so richtig niedergelassen hat, indem sie ein Haus gekauft hat ... das war schon was! Ich habe Mörbisch ganz bewusst als meine Heimat gewählt, und ich habe gespürt, dass das den Mörbischern richtig getaugt hat. 'Die Chefin, das ist jetzt eine von uns!', hat's dann geheißen. Ich empfinde mich als Teil der Gemeinschaft und finde es gut, hier zu sein, mitten im Geschehen und nicht irgendwo in Wien oder Eisenstadt, fernab von meiner Arbeit zu sein.

Die drei einzigen Dinge, die mir hier fehlen: Erstens Kino, das war in Berlin rund um die Uhr möglich. Zweitens, ich gebe es zu, ich bin eine heimliche Feinschmeckerin, das KaDeWe. Was früher die frischen Austern waren, ist jetzt halt Fisch aus dem See oder ein frisch geschlachtetes Mangalitzaschwein von einem Nachbarn. Drittens die Anonymität der Großstadt. 'Du, Frau Festspiel-Intendantin, was darf's denn heute sein?' Das ist schön. Aber manchmal gibt es die Sehnsucht, nobody zu sein und nicht erkannt zu werden.

Das funktioniert am besten hier zu Hause. Ich bin durch Zufall auf das Haus gestoßen. Eine Empfehlung über fünf Ecken. Lustigerweise wusste der damalige Eigentümer noch nicht einmal, dass sein Haus zum Verkauf steht. Da waren die Gerüchte schneller als die Realität. So ist das auf dem Land. Aber es hat sich gut ergeben. Das Haus entspricht voll und ganz meinem Geschmack, ich hätte es nicht anders gebaut. Es ist ein Haus mit viel Luft, viel Raum, viel Gemütlichkeit und klaren Strukturen. Ich bin kein Mensch, der sich in Samt, Plüsch, Gardinen und irgendwelchen Schnörkeln wohlfühlt. Ich hab's mehr mit Holz und rationalen, nüchternen Materialien, mit Licht und Weite, mit weißen Wänden. Wenn ich mein Wohnen, meinen Lebensstil mit einem Musikstück vergleichen würde, dann wäre das wohl eine Mischung aus einer Ouvertüre, etwa Figaros Hochzeit, und einer Ballade von Barbra Streisand. Fragen Sie mich jetzt bitte nicht, warum. Ist mir grad so in den Sinn gekommen ...

Der zweitwichtigste Ort in meinem Haus ist das Musikzimmer. Manchmal setze ich mich nachts um zwölf an den Flügel und studiere ein Stück ein. Oder singe. Oder mache irgendetwas anderes Lautes, wenn mir gerade danach ist. Der wichtigste Ort allerdings ist der Garten. Ich war Mitglied der Dendrologischen Gesellschaft. Auf der Insel Fehmarn habe ich sogar mal einen botanischen Garten gebaut! Wenn ich nach der Arbeit nach Hause komme, dann heißt es: raus aus dem Kostüm, rein in die Gartenklamotten und ab ins Beet! Eine Stunde Gartenarbeit am Abend ist für mich wie Therapie! Das beruhigt mich ungemein.

Was ich mir für die nächsten Jahre wünsche: Es ist nicht immer lustig in meiner Funktion. Manchmal muss man ganz schön kämpfen. Ich wünsche mir von ganzem Herzen, dass ich meinen Humor nicht verliere, dass ich meine Lebensenergie behalte, solange es geht. Und ach ja, ich hätte gerne noch einen Marillenbaum und ein paar Erdbeerstauden im Garten." (6.7.2015)