Bild nicht mehr verfügbar.

Die NSA nahm die deutsche Kanzlerin ins Visier.

Foto: AP/Schreiber

Der US-Geheimdienst NSA hat nach Informationen von Wikileaks nicht nur die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, sondern auch weite Teile der deutschen Regierung ausgespäht. Das geht aus Dokumenten hervor, die die Plattform am Mittwochabend veröffentlichte, wie die "Süddeutsche Zeitung" in Zusammenarbeit mit NDR und WDR berichtete.

Griechenland-Politik ausgespäht

Im Zentrum der Spionagebemühungen sollen Merkels Überlegungen zur Lösung der Griechenland-Krise gestanden sein. So wurde 2011 ein Gespräch mit ihrem Abteilungsleiter für EU-Fragen, Nikolaus Mayer-Landrut, abgehört. Darin kritisierte Merkel unter anderen Finanzminister Wolfgang Schäuble. Sie ärgerte sich außerdem darüber, dass die USA und Großbritannien eine Finanztransaktionssteuer blockierten.

GCHQ horcht Frankreich und Deutschland für USA aus

Offenbar war an einigen Abhöraktionen auch ein britischer Geheimdienst beteiligt, wie aus Vermerken in den Geheimunterlagen hervorgeht: "2nd Party British" ist da als Quelle zu lesen. Überwacht wurde hier wiederum Meyer-Landrut, der laut ARD-"Tagesschau" ein Gespräch über die Finanzkrise geführt hatte.

Währungspolitik

Der Liste zufolge gehörten zu den Spionagezielen der NSA offenbar bereits seit den 90er-Jahren nicht nur das Wirtschafts-, sondern auch das Finanz- sowie das Landwirtschaftsministerium. Demnach interessierte sich die NSA schon damals vor allem für die deutsche Währungs- und Handelspolitik. Das ergebe sich aus der Analyse einer 69 Nummern umfassenden Liste mit Suchbegiffen. Bei den Wikileaks vorliegenden Selektoren handle es sich offenbar sowohl um in der Vergangenheit überwachte Anschlüsse als auch um aktuelle.

Deutsche Regierung: "Keine Bewertung möglich"

Ein Sprecher der deutschen Regierung sagte, ohne nähere Kenntnis des zugrunde liegenden Sachverhalts sei der Regierung eine Bewertung derzeit nicht möglich. In den vergangenen Tagen hatte Wikileaks bereits ähnliche Dokumente zur NSA-Spionage in Frankreich publiziert. Nach Veröffentlichungen über Abhöraktionen gegen die französische Regierungsspitze tauchten dann Dokumente über Wirtschaftsspionage gegen französische Unternehmen auf Wikileaks auf. Abzuwarten ist, ob zu Deutschland eine ähnliche Veröffentlichungsstrategie geplant ist.

Unklar, woher Dokumente stammen

Die aufgetauchten Berichte stehen auf einer extrem hohen Geheimhaltungsstufe, die weit über den meisten Dokumenten anzusiedeln ist, die von NSA-Whistleblower Edward Snowden stammen. Es könnte gut sein, dass die Informationen nicht von Snowden, sondern einem weiteren Whistleblower stammen. Zu dieser Analyse gelangt etwa der Blog "Electrospaces", der sich ausführlich mit den Snowden-Dokumenten beschäftigt hat. (fsc, APA, 1.7.2015)