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Ein Viertel aller Flüchtlinge in Ungarn sitzen in Haft.

foto: ap/szandelszky

Wien – Ungarns Flüchtlingspolitik steht derzeit europaweit in der Kritik. Zwar hat die Regierung in Budapest ihre Ankündigung von vergangener Woche relativiert, keine Asylwerber mehr zurückzunehmen, deren Verfahren laut der EU-weiten Dublin-III-Verordnung in Ungarn geführt werden müsste.

Dafür sollen Flüchtlinge und Migranten künftig leichter in jene Transitländer zurückgeschickt werden können, die sie auf ihrem Weg nach Ungarn durchreist haben. Eine entsprechende Gesetzesnovelle wurde am Dienstag im Budapester Parlament mit klarer Mehrheit beschlossen.

Deutsche Rückschiebestopps

Zunehmend kritikwürdig erscheint aber auch der Umgang mit Flüchtlingen in Ungarn selbst – unter anderem mit den Rückgeschobenen aus der EU. Bereits in den vergangenen Jahren stoppten mehrere deutsche Verwaltungsgerichte geplante Dublin-Rücktransporte von Kindern und kranken Personen, weil diese in Ungarn nicht ihren Bedürfnissen entsprechend behandelt würden.

Die gleiche Argumentation kommt nun auch vom österreichischen Verwaltungsgerichtshof (VwGH). Wie der Standard erfuhr, setzte das Höchstgericht bereits in zwei Fällen eine Dublin-Rückschiebung nach Ungarn aus. Begründung: Die niedrigere Instanz, das Bundesverwaltungsgericht, habe nicht genau genug geprüft, wie im Nachbarland mit sogenannten vulnerablen, also besonders verletzbaren, Schutzsuchenden umgegangen werde.

Aufschiebende Wirkung

Konkret ging es um eine an Epilepsie leidende Frau aus Afghanistan und eine weitere Afghanin, die mit sechs Kindern und ihrer eigenen Mutter allein dasteht. In beiden Fällen gewährte der VwGH den Beschwerdeführern aufschiebende Wirkung. Sie können in Österreich bleiben, vorerst bis zum Ausgang der Ungarn-Überprüfung.

Einer der Höchstgerichtsbeschlüsse liegt dem Standard vor. Im Fall der Frau mit den sechs Kindern, die von dem Wiener Anwalt Robert Bitsche vertreten wird, sei verabsäumt worden, sich "mit den Lageveränderungen in Ungarn nach Sommer 2014 näher zu beschäftigen", heißt es darin.

Haft für Familien mit Kind

Damit ist zum Beispiel gemeint, dass in Ungarn seit Oktober 2014 auch über Familien mit Kindern wieder sogenannte asylrechtliche Haft verhängt wird: Sie werden in Gefängnisses eingesperrt. Das berichtete im diesjährigen März unter anderen ein österreichischer Verbindungsbeamter dem Innenministerium in Wien. Das Schreiben ist im Revisionsantrag angeführt.

Dass in Ungarn ein Viertel aller Asylwerber in Haft ist, hatte vor wenigen Wochen auch der Europarat in einem Bericht verurteilt. Die vorübergehenden Rückschiebestopps aus Österreich seien erst der Anfang, meint denn auch Anwalt Bitsche: "Auch vor dem absoluten Rückschiebestopp des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs nach Griechenland gab es zuerst derlei Sprüche in Einzelstaaten", sagt er.

Österreichs Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) bot am Dienstag in Budapest Ungarns Innenminister Sándor Pintér indes 80 statt bisher 40 Polizisten für Grenzkontrollen an der serbisch-ungarischen Grenze an. (Irene Brickner, 1.7.2015)