Geld spielt in der Forschung in Singapur keine Rolle – das Richtfest des Yale-NUS College 2014 erfolgte mit goldenen Schaufeln.

Foto: Yale-NUS College

Vor Jahrzehnten war es für europäische Forschungsinstitutionen, die etwas auf sich hielten, wichtig, intensive Kontakte in die USA zu halten. Vor einigen Jahren hat China diese Stellung eingenommen, und erst seit kurzem richtet sich die Aufmerksamkeit auf ein anderes asiatisches Land: Singapur – zumindest wenn man der Einschätzung von Bertil Andersson folgt. Was den 700 Quadratkilometer kleinen Inselstaat zum Forschungseldorado macht und wo Schattenseiten liegen, wurde kürzlich in Wien bei einer Tagung der Forschungsförderungsgesellschaft FFG mit Beteiligung von Wissenschaftsministerium, dem Wiener Technologiefonds WWTF und dem Institute of Science and Technology (IST) Austria diskutiert. Die Diskussion eröffnete ein Vortrag des Schweden Andersson, der seit 2011 Präsident der Nanyang Technological University ist – einer der wichtigsten Unis des Landes. Was den Inselstaat für ihn zum Forschungsparadies macht, brachte Andersson schnell auf den Punkt: "In Europa reden wir, in Singapur handeln wir."

Seit Singapur 1965 politisch unabhängig wurde, hat es sich von einem armen Entwicklungsland zu einem der reichsten Länder der Welt entwickelt – das BIP pro Kopf liegt aktuell bei rund 50.000 Euro. In den letzten 15 Jahren kam es zu signifikanten Investitionen in Forschung und Entwicklung – diese fallen in die Agenden des Premierministers.

Was die Forschungsförderung angeht, sei Singapur ob der enormen Investitionen mittlerweile die "Schweiz von Asien", sagte Andersson. 90 Prozent der Bildungsausgaben erfolgen durch den öffentlichen Sektor, zehn Prozent durch private Investoren. 80 Prozent der Unternehmen, die mit singapurischen Universitäten kooperieren, sind europäisch.

Daraus dürfe allerdings nicht geschlossen werden, dass die dortigen Unis nur so auf die Zusammenarbeit mit europäischen Partnern drängen, sagte FFG-Geschäftsführerin Henrietta Egerth, die zuletzt mehrere Monate am Inselstaat verbracht hat. Im Gegenteil werde Europa im Gegensatz zu China, Indien oder Südamerika in Singapur nicht als wachsende Wirtschaftskraft gesehen – das Interesse an Kooperationen mit europäischen Ländern sei entsprechend gering. "Wir müssen klarmachen, wo wir exzellent sind und wie wir uns bestmöglich einbringen können. Sie warten nicht, dass wir bei ihnen auftauchen", sagte Egerth.

Was ihrer Einschätzung nach wesentlich zum rasanten Aufstieg von Singapur beiträgt, sind die enormen Investitionen in den Bildungsbereich – nicht nur finanziell, sondern auch personell; "nur die besten Studierenden werden dort Lehrer". Insgesamt nehme Forschung und Entwicklung einen anderen Stellenwert ein als in Europa und gelte "nicht als Wert als solcher, sondern ist Teil des ökonomischen Systems".

Kaum Freiheit für Forscher

"In Singapur steht Forschung immer unter dem Zeichen, dass sie wirtschaftlichen Erfolg abwerfen muss. In Europa geht es vielmehr auch um die Akkumulation von kulturellem Gut", meinte Georg Schneider, Managing Director des IST Austria. Als Kehrseite der Forschungsförderungskultur in Singapur nannte er, dass sie als Top-down-Instrument verwendet würde, die Wissenschafter hätten allerdings wenig Freiheit, in welche Richtung sie künftig forschen. "Wenn man Innovationen will, ist es notwendig, dass die Forscher Freiheit haben." (Tanja Traxler, 1.7.2015)