Mütter, die arbeiten, vermitteln ihren Töchtern nicht nur andere Einstellungen zu Geschlechterrollen, sondern geben ihnen auch andere Einstellungen und Fähigkeiten mit: "Sie lernen besser, sich in Arbeitskontexten zurecht zu finden und dort Führungsrollen zu übernehmen", schreiben die Forscherinnen der Harvard Business School. Burschen von berufstätigen Müttern engagieren sich als Erwachsene mehr im Haushalt.

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Auf dem Weg zum Büro, zur Schule, zum Kindergarten, zur Kindertagesstätte hetzen? Und das ganze am Abend wieder retour? Zwischen zwei Geschäftsterminen am Telefon ein aufgeregtes Kind beruhigen? Am einzigen freien Tag einen Kuchen für den Kindergeburtstag backen?

Berufstätige Mütter haben ihn tagtäglich zu bewältigen, den Spagat zwischen Job und Familie. Und hadern mit sich, bei dem Versuch, alle Ansprüche zu erfüllen. Gesellschaftliche Stereotype, die Mütter immer noch in der Rolle der Vollzeitsorgenden begreifen, tragen ihr Übriges zum schlechten Gewissen bei.

Aber was sind tatsächlich die Konsequenzen, wenn eine Mutter sich nicht rund um die Uhr selbst kümmert? Werden aus den Kids dann wirklich schlechtere Erwachsene?
Dazu veröffentlichte die Harvard Business School nun eine umfassende Studie – für die repräsentative Umfragedaten aus 24 Ländern, darunter auch Österreich und Deutschland, analysiert wurden. Das Ergebnis: Den Kindern schadet die mütterliche Berufstätigkeit keineswegs. Ganz im Gegenteil: Sie profitieren davon regelrecht, konstatiert das dreiköpfige Forscherinnenteam rund um Kathleen McGinn.

Bessere Jobs, mehr Gehalt

Wie sich zeigt, würden vor allem Töchter einen Vorteil daraus ziehen: Sie haben als erwachsene Frauen nicht nur ein höheres Ausbildungslevel (vier Jahre verbringen sie durchschnittlich länger in Ausbildung), sondern finden auch schneller einen Job und steigen eher in Führungspositionen auf: Die Wahrscheinlichkeit dafür ist um 16 Prozent höher als bei Töchtern nicht berufstätiger Mütter. Sie arbeiten zudem um rund 45 Minuten pro Woche mehr – was sich wiederum auf das Gehalt niederschlägt: Im Schnitt verdienen sie um etwa vier Prozent besser.

Aber nicht nur beruflich, auch privat hat das Vorbild Mama nachweislich Einfluss: Töchter von berufstätigen Müttern verbringen später weniger Zeit mit Haushaltstätigkeiten – 35 Minuten weniger sind es in der Woche – und berichten insgesamt von egalitäreren Beziehungen als jene von Vollzeitmüttern.

Vorbilder prägen

Bei Männer stellten McGinn und ihre Kolleginnen keine Auswirkungen auf Karriereverläufe fest, sehr wohl aber auf das Verhalten zu Hause: Söhne von berufstätigen Müttern beschäftigen sich als Erwachsene um eine Stunde pro Woche mehr mit ihren Kindern und bringen sich auch stärker im Haushalt ein.

Und wie erklären die Studienautorinnen diese Ergebnisse? "Wir gehen davon aus, dass das nicht-traditionelle Rolemodel der berufstätigen Mutter Kinder auf zweierlei Arten prägt", schreiben sie. "Erstens, indem ihnen andere Vorstellungen darüber vermittelt werden, was für Männer und Frauen als 'normal' oder 'richtig' gilt. Unsere Befunde zeigen, dass die Kinder von Müttern mit Job als Erwachsene signifikant mehr Wert auf Gleichberechtigung legen, als jene von Hausfrauen."

Fähigkeiten für die Arbeitswelt

Außerdem komme ein gewisser "sozialer Lerneffekt" zum Tragen. "Kinder beobachten permanent das Verhalten ihrer Eltern und orientieren sich daran. Auch was Geschlechterrollen angeht." Auf diese Weise würden berufstätige Mütter ihren Töchtern ein anderes Set an Fähigkeiten mitgeben – Fähigkeiten, die sie für die Arbeitswelt und die Übernahme von Chefpositionen wappnen. "Diese Mädchen lernen eher, mit Macht umzugehen."

Der Lerneffekt erkläre schließlich auch, wieso Burschen mit berufstätigen Müttern sich später stärker häuslichen Aufgaben widmen.

"Unsere Befunde widersprechen klar dem herrschenden Vorurteil, Mütter, die arbeiten, würden ‚ihre Kinder vernachlässigen’ und das habe wiederum einen negativen Effekt auf die Gesellschaft als Ganzes", so das Conclusio der Forscherinnen, die sich wünschen, dass ihre Studienergebnisse "zur Akzeptanz der vielfältigen Karrierewege, für die sich Männer und Frauen entscheiden können," beitragen – und Politik und Unternehmen dazu anregen, adäquate Strukturen zu schaffen, die diese freie Wahl auch ermöglichen. (Lisa Breit, 30.6.2015)