Argentinien liefert sich wegen der Staatspleite von 2001 noch immer Streitigkeiten mit Hedgefonds, die sich um Zahlungen betrogen fühlen. Drohen Griechenland nun ebenfalls lange Rechtsstreits, wenn es seinen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommt? Die Frage ist nicht leicht zu beantworten. Theoretisch ja, praktisch eher nicht, glaubt Bank-Austria-Chefökonom Stefan Bruckbauer.

Zunächst kommt es einmal darauf an, welche Schulden Griechenland nicht bedient. Der Erste, der zum Handkuss kommen dürfte, ist der Internationale Währungsfonds (IWF). Heute, Dienstag, wird eine Tranche in Höhe von 1,6 Milliarden Euro fällig, die laut griechischer Regierung nicht bedient wird. Weitere Tilgungen müssten im September (1,6 Milliarden), Oktober (500 Millionen) und Dezember (1,2 Mrd.) erfolgen.

Mehrstufiges Verfahren

Zahlt Athen nicht, würde ein mehrstufiges Verfahren eingeleitet. Der erste Schritt ist im Grund nur eine Ermahnung, den offenen Betrag zu begleichen. Kommt die griechische Regierung der Zahlungsaufforderung weiterhin nicht nach, würde der IWF ein sogenanntes "event of default", also einen formellen Zahlungsausfall feststellen. Daraus ergeben sich wiederum rechtliche Möglichkeiten für den IWF, die in den Verträgen mit Griechenland im Detail vereinbart sind.

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Freundlichkeiten werden derzeit nicht ausgetauscht: IWF-Chefin Christine Lagarde muss sich überlegen, welche Schritte sie setzt, sollte der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis die nächste Tranche an den Währungsfonds nicht pünktlich überweisen
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Im Grund geht es darum, dass die Forderungen rechtlich abgesichert werden und Griechenland von jeglichen weiteren Hilfen (aus dem aktuellen Programm mit dem IWF bis März 2016 sind noch 17 Milliarden Euro offen) abgeschnitten wäre. Am Ende stünde ein Rauswurf aus dem IWF. Dass der Währungsfonds die Ausstände aber wirklich vor Gericht einklagen würde und griechische Vermögen pfändet, sei de facto auszuschließen, meint Bruckbauer. Letztlich würde man versuchen, auf dem Verhandlungstisch eine Umschuldung zu erreichen.

Ähnlich würde es bei den anderen Gläubigern ablaufen. Im Zuge des ersten griechischen Hilfspakets haben die EU-Staaten bilaterale Kredite im Ausmaß von 52,9 Milliarden Euro gewährt, Österreichs Anteil lag bei 1,56 Milliarden. Das kurzfristige Risiko ist hier aber überschaubar: Zurückzahlen muss Griechenland diesen Kredit erst ab 2020. Ausfallen könnten also vorerst nur die Zinszahlungen, die Griechenland quartalsweise abliefern muss. Bis jetzt hat Österreich 101,72 Millionen Euro verdient. Die nächste Zahlung ist im September fällig, man gehe auch davon aus, dass Athen zahlen wird, sagt Finanzminister Hans Jörg Schelling.

4,3 Milliarden an Haftungen

Um wesentlich größere Beträge geht es beim Europäischen Rettungsfonds (zuerst hieß er EFSF, danach ging er in den ESM auf). Über diese Schiene schulden die Griechen den EU-Staaten 143,6 Milliarden, Österreichs Anteil macht 4,3 Milliarden Euro aus.

Rechtlich wird es hier aber noch komplizierter: Der EFSF ist eine Aktiengesellschaft, die Anleihen begibt. Die Mitglieder, also auch Österreich, haften dafür. Sollte Griechenland zahlungsunfähig werden, könnte der EFSF bisher geleistete Zahlungen fällig stellen. Selbst wenn Griechenland dann nicht zahlt, würden die Haftungen aber nicht automatisch schlagend. Das wäre erst dann der Fall, wenn sich der EFSF nicht mehr refinanzieren könnte – noch hat er ein Triple-A-Rating.

EZB sitzt auf 30 Milliarden

Ein indirektes Risiko kommt auf die Euroländer wegen der EZB zu. Sie hat griechische Anleihen im Volumen von 30 Milliarden aufgekauft. Im Juli müsste Athen 3,5 Milliarden an die EZB überweisen, im August weitere 3,2 Milliarden. Werden diese offene Beträge nicht beglichen, würde sich – ähnlich wie beim IWF – ein rechtliches Karussell zu drehen beginnen. Aber auch hier gilt: Man würde sich wohl am Verhandlungstisch wieder sehen, um einen Haircut zu verhandeln. Im Grunde würde also das gleiche Spiel beginnen, das jetzt beendet wurde: Geldgeber und Griechenland müssten Kompromisse schließen.

Ganz aus dem Spiel sind aber auch private Investoren noch nicht. Sie halten noch rund 40 Milliarden an griechischen Anleihen. Fallen sie um ihr Geld um, ist jedenfalls mit Klagen à la Argentinien zu rechnen. (Günther Oswald, 30.6.2015)