Tunesien ist das einzige Land, in dem der sogenannte Arabische Frühling erfolgreich war. Und genau das wird dem kleinen nordafrikanischen Land jetzt zum Verhängnis. Denn es kann nicht sein, was nicht sein darf. Eine demokratische Entwicklung wollen radikale Islamisten und ihre konservativen Finanzierer nicht zulassen.

Tunesien ist zur Schnittstelle zwischen dem, was als Demokratie mit Bürgerrechten verstanden wird, und einer Welt voller Nostalgiker, die in der radikalen Auslegung der Religion ihre Zukunft suchen, geworden. Deshalb die Anschläge im März auf das archäologische Museum in Tunis oder jetzt auf die Hotelanlage in Sousse. Mit den Touristen soll das "sündige Leben" aus Tunesien vertrieben werden.

Militärhilfe und eine internationale Zusammenarbeit im Kampf gegen Terrornetzwerke, all das wird jetzt diskutiert werden. Doch Polizeibeamte mit Schnellfeuergewehren, die am Strand patrouillieren, wie das einst in Algerien in den 1990er-Jahren der Fall war, bringen den Tourismus nicht zurück. Armeeaufgebote, die die Grenze nach Libyen sichern, werden den Waffenschmuggel verringern, aber das Land nicht sicherer machen. Denn längst ist genug Material aus dem zusammengebrochenen Gaddafi-Regime nach Tunesien gesickert.

Was wirklich helfen würde, ist eine wirtschaftliche Entwicklung, die jungen Menschen in Tunesien eine reelle Perspektive bietet. Und das wird mit jedem Anschlag schwieriger. (Reiner Wandler, 29.6.2015)