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Sein ehemaliger Fitnesstrainer berichtet, dass Yassin S. sich vor 2010 in Syrien aufgehalten haben könnte.

Foto: APA/EPA/Nogier

Wer ist Yassin S.? Seit Freitag fragt sich Frankreich, wie ein Mann seinen Vorgesetzten auf einem Parkplatz am Stadtrand von Lyon umbringen, ein Selfie von sich und dem abgetrennten Kopf machen und dann versuchen konnte, ein Gaswerk in die Luft zu sprengen.

Seine eigene Frau erklärte, sie falle aus allen Wolken. Die Medien spekulierten zuerst, ob es sich um ein persönliches Rachedelikt gegen den Arbeitgeber handle. Die Polizei hatte den 35-jährigen Franzosen mit algerisch-marokkanischen Eltern zwar 2006 wegen seiner "Radikalisierung durch eine salafistische Bewegung" überwacht. Doch der Chauffeur und dreifache Familienvater rückte in der sogenannten S-Akte des französischen Geheimdienstes nie höher als in die 13. von insgesamt 16 Gefahrenstufen – 2008 wurde seine Beschattung eingestellt.

Zu Unrecht. Einmal mehr war die Polizei von der Masse der zu kontrollierenden Islamisten offensichtlich überfordert. Am Sonntag wurde bekannt, dass eine frühere Nachbarin Yassin S.' sonderbares Benehmen mehrfach der Polizei gemeldet hatte. Den Vorladungen leistete sie allerdings keine Folge. Yassin S. sei öfters mehrere Monate verschwunden gewesen, um dann "als anderer Mann" zurückzukehren. Er habe nicht mehr Bonjour gesagt und keine Frau mehr angeblickt; dafür habe er die Djellabah und einen Bart getragen. Dann habe er Besuch von Männern erhalten, die "Muslimbrüdern" geglichen hätten.

Selfie offenbar nach Syrien geschickt

Am Sonntag soll Yassin S. erstmals ausgesagt haben. Aus Ermittlerkreisen hieß es inoffiziell, der bei seiner Festnahme leicht Verletzte habe den Mord gestanden und erklärt, er habe "allein" gehandelt. Allerdings habe er eines der Tatort-Selfies offenbar via eine kanadische Relaisnummer auch nach Syrien geschickt, wo die Terrormiliz IS solche Bilder normalerweise propagandistisch ausschlachtet.

Ein ehemaliger Fitnesstrainer erklärte zudem in der Zeitung "Le Parisien", Yassin S. habe ihm nach einer längeren Abwesenheit 2010 erklärt, er sei in Syrien gewesen und habe dort eine "Koranschule" besucht. Der athletische Mann sei stets sehr höflich, ja sanftmütig gewesen. Ab und zu habe er aber auch zu fürchterlichen Wutausbrüchen geneigt. Deshalb habe er "Free Fight" lernen wollen, eine Kampfsportart, bei der so ziemlich alle Schläge erlaubt sind.

"Yassin S. kämpfte nicht, er war regelrecht im Krieg", meinte der Trainer. Die Terrortat habe ihn nicht überrascht, und das nicht nur wegen Yassins explosiven Temperaments: "Ich hatte den Eindruck, mit jemandem zu tun zu haben, der indoktriniert war und unter Einfluss stand." Als das Fitnesszentrum laizistische Regeln eingeführt und religiöse Gewänder und Gebräuche untersagt habe, sei Yassin S. nicht mehr vorbeigekommen. (Stefan Brändle, 28.6.2015)