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Am kommenden Sonntag sollen die Griechen über von den Geldgebern verlangte Einsparungen und Steuererhöhungen abstimmen.

Foto: REUTERS/Alkis Konstantinidis

Athen – Das griechische Parlament hat der Abhaltung eines Referendums über die Forderungen der Gläubiger des hoch verschuldeten Landes zugestimmt. Für die Volksabstimmung votierten in der Nacht auf Sonntag in Athen 178 der 300 Abgeordneten. Regierungschef Alexis Tsipras hatte zuvor für das Referendum geworben und die Bevölkerung zu einem "großen Nein zum Ultimatum" zu den Forderungen der Gläubiger aufgerufen.

Zugleich sollten sie "ein großes Ja zu Europa und zur Solidarität" aussprechen, so Tsipras. Der Regierungschef zeigte sich überzeugt, dass durch ein "stolzes Nein" die Verhandlungsposition Griechenlands gegenüber den Gläubigern gestärkt werden würde.

Umfragen

Der Ausgang des Referendums scheint ungewiss. In zwei noch vor der Referendums-Ankündigung abgehaltenen Umfragen sprach sich die Mehrheit der Griechen für eine Einigung mit den Gläubigern aus: Zwei Umfragen in den griechischen Sonntagszeitungen ergaben eine große Mehrheit für ein Abkommen mit den Kreditgebern von EU, EZB und IWF. 57 Prozent errechnete das Meinungsforschungsinstitut Alco im Auftrag der Zeitung Protothema – "Euro und Nein zur Drachme", lautet der Titel. 47,2 Prozent Zustimmung für ein Abkommen sind es beim Kapa-Institut für die Zeitung To Vima, 33 Prozent würden dagegen stimmen. "Vor dem Bankrott", stellt die linksliberale Zeitung im Titel fest. Beide Umfragen wurden zwischen dem 24. und 26. Juni angstellt, also kurz vor der Ankündigung eines Referendums durch Regierungschef Tsipras in der Nacht auf Samstag.

Zwei Enthaltungen

Laut dem offiziellen Ergebnis stimmten im Parlament 120 Abgeordnete in der Nacht auf Sonntag gegen das Referendum, zwei nahmen nicht an dem Votum teil. Eine erste Zählung von 179 Ja-Stimmen wurde nachträglich auf 178 korrigiert. Für den Plan der Regierung votierten neben Tsipras' Syriza-Partei auch Abgeordnete ihres rechtspopulistischen Bündnispartners Partei der Unabhängigen Griechen sowie der Neonazi-Partei Goldene Morgenröte. Die Konservativen und die Sozialisten stimmten dagegen, auch die Kommunisten und die zentristische Potami-Partei waren gegen das Referendum.

In dem Votum sollen die Griechen entscheiden, ob sie die von den Gläubigern im Gegenzug für neue Hilfen geforderten Sparmaßnahmen akzeptieren oder nicht. Grundlage ist ein am Freitag an Athen übermittelter gemeinsamer Forderungskatalog von Internationalem Währungsfonds (IWF), Europäischer Zentralbank (EZB) und EU-Kommission. Dieser sieht laut Tsipras unter anderem "unakzeptable" Punkte wie Pensionskürzungen und eine Anhebung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel vor.

Ausgang ungewiss

Tsipras hatte das Referendum überraschend in der Nacht auf Samstag angekündigt. Damit brüskierte er die anderen Euro-Staaten. Denn die Volksabstimmung ist erst für kommenden Sonntag geplant – eine Einigung hätte aber spätestens bis Dienstagabend gefunden werden müssen. Angesichts dessen beschlossen die Euro-Finanzminister, dass Athen der Geldhahn zugedreht werden soll. Bei einem Sondertreffen in Brüssel lehnten sie am Samstag eine Verlängerung des am 30. Juni auslaufenden Hilfsprogramms ab.

Kein Ansturm auf Banken

Ein außergewöhnlicher Ansturm der Griechen auf Bankomaten ist am Samstag offenbar ausgeblieben. Im Tagesverlauf wurden nach Angaben aus Bankenkreisen zwar 500 bis 600 Millionen Euro und damit mehr als an durchschnittlichen Samstagen an den Automaten behoben. An einigen Tagen in den vergangenen beiden Wochen war es hingegen bis zu eine Milliarde Euro gewesen. Allerdings waren hier auch Barabhebungen in Bankfilialen enthalten.

An etwa einem Drittel der landesweit rund 5.500 Geldautomaten sei am Samstag zeitweilig kein Geld mehr verfügbar gewesen, hieß es zudem aus Bankenkreisen. Die Maschinen seien dann aber jeweils wieder aufgefüllt worden.

Die Banken des Landes sollen am Montag wie gewohnt öffnen. Kapitalverkehrskontrollen plant die Regierung in Athen nicht. Allerdings gehen Experten davon aus, dass diese noch nötig werden. Die griechischen Institute sind stark abhängig von Nothilfen der Zentralbank, die die EZB genehmigen muss.

Reformen gefordert

Die Geldgeber wollen im Gegenzug für weitere Hilfen Reformen und Einsparungen durchsetzen, um die griechische Wirtschaft wettbewerbsfähiger zu machen. Die Tsipras-Regierung ist aber mit dem Versprechen angetreten, den ungeliebten Sparkurs zu beenden.

Die Opposition in Griechenland warf Tsipras vor, sich hinter dem Volk zu verstecken. Er müsse selbst eine Entscheidung treffen und dafür eintreten, sagte der frühere Regierungschef Antonis Samaras. Außerdem ergebe das Referendum keinen Sinn, weil die Verhandlungen mit den Geldgebern beendet worden seien.

Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier übte in einem Gespräch mit der "Welt am Sonntag" Kritik an der griechischen Regierung. "Ich verstehe nicht, wie eine gewählte griechische Regierung seinem Volk empfiehlt, den europäischen Vorschlag abzulehnen und die Menschen in Griechenland damit in Geiselhaft nimmt, um Europa weitere Konzessionen abzutrotzen", sagte er. "Der Zickzackkurs der griechischen Regierung in den letzten Stunden und Tagen macht einen doch fassungslos."

Programm läuft aus

Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem sagte nach dem Krisentreffen am Samstag: "Angesichts der Situation müssen wir mit Bedauern zu dem Schluss kommen, dass das Programm Dienstagnacht ausläuft." Damit würden bereitstehende Hilfen der Europäer und des Internationalen Währungsfonds für Athen von insgesamt gut 18 Milliarden Euro verfallen. Ende Juni muss Athen IWF-Kredite zurückzahlen. Über Konsequenzen berieten die anderen 18 Euro-Finanzminister anschließend ohne den griechischen Ressortchef Yanis Varoufakis.

EZB-Sitzung

Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) kommt am Sonntag zu einer Krisensitzung zu Griechenland zusammen. Ohne weitere Finanzhilfen droht dem griechischen Bankensystem der Kollaps, da die Bankkunden aus Sorge vor dem Bankrott des Landes seit Tagen massiv Geld von ihren Konten abheben.

Die EZB hatte in den vergangenen Wochen immer wieder die Nothilfe für die griechischen Banken erhöht, um einen Engpass zu vermeiden. Die internationalen Geldgeber hatten am Samstag entschieden, das am Dienstag auslaufende Hilfsprogramm nicht zu verlängern. (mab, red, APA, Reuters, 28.6.2015)