Wien – Peter Zellmann ist kein Freund der Tourismusgipfel. Da würden große Strategien entwickelt, die nie den Weg bis an die Basis finden, sinniert der Freizeitforscher. Die Basis, das sind aus seiner Sicht die kleinen Gemeinden, die unzähligen Privatvermieter und Drei-Sterne-Hotels. "Hier gibt es keinen Aufwind", sagt er. Die Gäste würden weiter mit "gestrigem Angebotsdenken" bedient.

Zellmann fehlt es in Österreich nicht an touristischer Infrastruktur, sondern an der Software, konkret an der Inszenierung des täglichen kleinen Urlaubsalltags. Das beginne beim Mountainbiken, bei dem keiner wisse, ob und wo denn nun im Wald geradelt werden dürfe, und ende bei Schlecht-Wetter-Angeboten, über die viele Betriebe nur wenig Bescheid wüssten.

Ohne Emotionen

Die Tourismuswirtschaft habe die Brieftasche der Urlauber im Griff, nicht aber ihre Emotionen, meint der Leiter des Instituts für Freizeitwirtschaft. Ein paar Apps allein seien keine Innovation. Es gehörten Alleinstellungsmerkmale herausgearbeitet, kleine Besonderheiten des Alltags. All das aber sei harte Knochenarbeit, die sich keiner antue. Zumal die Politik die volkswirtschaftliche Bedeutung der Tourismusbranche stark un- terschätze, wie Zellmann klagt.

Er sieht die Stimmung bei vielen Betrieben in Österreich als gedämpft bis grottenschlecht. Wobei die Zahlen per se die Laune durchaus heben könnten. Die Statistik Austria weist dem Tourismus für Mai nach vorläufigen Zahlen Zuwächse bei den Nächtigungen im Jahresvergleich von fast neun Prozent aus. Hilfreich waren die verschobenen Pfingstfeiertage.

Ausländische Gäste

17 Prozent mehr ausländische Gäste nächtigten hierzulande, in Summe 4,58 Millionen. Die Österreicher ließen mit minus 2,5 Prozent allerdings aus. Bei russischen Urlaubern gab es Einbrüche von einem Drittel. In Summe stieg die Zahl an Gästen im Mai um mehr als neun Prozent. Auch hier waren internationale Touristen, vor allem Deutsche, Schweizer und Niederländer, die treibende Kraft.

Wie gut die Sommervorsaison wirklich ausgefallen ist, dafür bedarf es laut Statistikern noch der Juni-Zahlen. Zellmann hält Monatsbilanzen generell für wenig aussagekräftig: Zu sehr seien sie von Zufälligkeiten wie dem Wetter abhängig. Rückblickend über die vergangenen Jahre macht er in Österreich eine Stagnation aus – wenn auch auf hohem Niveau.

Kurzreisen

Für die Österreicher selbst liegt bei Reisen zunehmend die Würze in der Kürze. 2014 machten sie erstmals mehr Kurz- als Haupturlaube. Letztere sanken im Jahresvergleich um fast fünf Prozent.

Klassische Zielgruppen gibt es laut Zellmann keine mehr: Ein Familienurlaub werde um Strand-, Event- und Bildungsurlaube ergänzt. Jeder davon sei kurz, dafür seien es vier bis fünf im Jahr. Und auch im Urlaub selbst gebe es ein Nebeneinander von Ruhe, Natur, Kultur und Events. Letztlich bleibe er nach Weihnachten die emotional wichtigste Zeit im Jahr. (Verena Kainrath, 27.6.2015)