Nicht nur in Österreich gehen beim Thema Migration und Flüchtlingsaufnahme die Wogen hoch. Die Nerven liegen offenbar auch auf der höchsten politischen Ebene in der Union blank, wenn die Rede auf die zuletzt stark angestiegene Welle von Flüchtlingen über das Mittelmeer kommt – so wie beim jüngsten EU-Gipfel.

Der Anlass war zwar etwas weniger operettenhaft als am Ministerratstisch im Metternichzimmer in Wien, wo über Zeitungsberichte gebalgt wurde. Bei den EU-Chefs ging es um harte Gegensätze in der Sache der Aufteilung nachgewiesener Kriegsflüchtlinge auf alle EU-Länder.

Einige Teilnehmer zeigten sich hinterher richtiggehend schockiert, wie emotional und zuweilen sogar bösartig sich einige Regierungschefs ihr gegenseitiges Unverständnis ausrichteten. Der Italiener Matteo Renzi soll Kollegen aus Osteuropa, die eine Nullquote für sich reklamierten, angebrüllt haben, sie könnten sich ihre Vorstellung von Europa sparen, wenn sie so unsolidarisch seien.

Er hat recht. Der derzeit schlecht geregelte Zugang von Asylwerbern in einer Union ohne Staatsgrenzen führt zu extrem unterschiedlichen Belastungen der einzelnen Länder – eine solidarische Lösung ist überfällig. Aber Solidarität ist in den Augen einiger offenbar nur dann angesagt, wenn es um den Erhalt von Gemeinschaftsgeldern geht. Das ist zwar traurig, aber man sollte sie beim Wort nehmen: Sie sollen an aufnahmebereite Länder kräftig zahlen. (Thomas Mayer, 26.6.2015)