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Solange Journalisten und vor allem Fotografen anwesend sind, wird gescherzt. Griechenlands Premier Alexis Tsipras, Italiens Matteo Renzi und Kanzlerin Angela Merkel.

Foto: EPA/Hoslet

Viel Zeit hatte Alexis Tsipras nicht, die von den Gläubigern Griechenlands präsentierten Vorschläge und seine eigenen Gegenvorschläge für Reformen bei Steuern und Pensionen zu überschlafen.

Es war bereits halb zwei Uhr früh in der Nacht auf Donnerstag, als der Ministerpräsident das Gebäude der EU-Kommission in Brüssel verließ. Dort hatte er mit Präsident Jean-Claude Juncker, Zentralbankchef Mario Draghi und Christine Lagarde, der Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), im ganz kleinen – und ranghöchsten – Kreis beraten. Das war dringend notwendig geworden, weil alle Verhandlungen der Experten der Geldgeberinstitutionen mit der griechischen Delegation ohne Einigung geblieben waren. Seit dem gescheiterten Eurogipfel Anfang der Woche ist die "Aktion Griechenland" kurz vor Beginn des EU-Gipfels der Staats- und Regierungschefs zu einem Marathon geworden, einer echten Nervenschlacht.

Keine Annäherung

Die Sitzung der Finanzminister der Eurogruppe war Mittwochabend mangels Annäherung bei den geplanten Maßnahmen schon nach einer Stunde wieder abgebrochen worden. Es war also Feuer am Dach. Aber auch Tsipras, Juncker und Co kamen nicht weiter. Sie vereinbarten, gleich um neun Uhr früh weiterzumachen, wieder – vergeblich. Währenddessen wurden von allen Seiten angeblich "neue" Papiere und Details an die Öffentlichkeit gespielt.

Als Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem kurz nach Mittag zur Fortsetzung der Eurogruppe rief, der vierten in acht Tagen, verkündete er nur knapp, dass "keine Einigung vorliegt".

Ganz im Gegenteil. Es stellte sich bald heraus, dass nun sogar wieder zwei einander wieder deutlicher widersprechende Reformpläne auf dem Tisch lagen, einer von den Griechen, einer von den "Institutionen" der Gläubiger. Nach Aussage von Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) sei über Nacht der Fall eingetreten, dass man sich in einzelnen Punkten sogar wieder voneinander entfernt hatte.

Forderungen aus Athen

Der größte Stolperstein schien die Forderung aus Athen zu sein, eine Schuldenübertragung von Verbindlichkeiten bei der EZB auf den Rettungsfonds (ESM) der Eurostaaten vorzunehmen. Dem wollten die Finanzminister der Partner keinesfalls zustimmen. Der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis hingegen bestand weiter auf einer Schuldenerleichterung für sein Land.

Bei den seit Tagen gewälzten Differenzen, in welchen Bereichen wie stark eingespart werden beziehungsweise wie die Steuereinnahmen erhöht werden sollen, gab es hingegen Bewegung. Beide Seiten stellten den vereinbarten Primärüberschuss im Haushalt (der Überschuss vor dem Schuldendienst) nicht mehr infrage. Anstatt 2,5 Prozent der Wirtschaftsleistung, wie noch im "alten" geltenden Hilfsprogramm festgelegt, soll er 2015 nur noch ein Prozent betragen, 2016 dann zwei Prozent statt der ursprünglichen 3,5 Prozent des BIP. Die Regierung in Athen hatte zuvor etwas geringere Ziele vorgeschlagen, als Berücksichtigung des Faktums, dass das Wachstum im Land zum Erliegen gekommen ist.

Aber nichts, keine Zahl und keine Position, keine Maßnahme schien zunächst auch wirklich gesichert, bevor eine Gesamteinigung erzielt ist. "Nichts ist vereinbart, bevor alles vereinbart ist", gilt als eiserne Regel bei solchen EU-Verhandlungen. Die Regierungschefs gaben sich trotz allem optimistisch, dass man am Ende doch einen Weg finden würde. "Ich gehe davon aus, dass die Vernunft siegt", sagte Parlamentspräsident Martin Schulz.

"Keine Einmischung"

Am Donnerstag siegte sie nicht. Die Eurofinanzminister vertagten ihre Sitzung erneut. Am Samstag soll die nächste Runde starten. Tsipras musste zum regulären EU-Gipfel. Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte, die Griechen hätten sich "eher rückwärts bewegt".

Tsipras beklagte sich bei den EU-Regierungschefs, dass der IWF viel zu harte Sparvorgaben mache. Ein weiterer Euro-Gipfel ist nicht geplant, verlautete am Abend aus dem Umfeld von Ratspräsident Donald Tusk. Laut Kanzlerin Angela Merkel müssten noch einige "Unwägbarkeiten" geprüft werden. Schulz beantwortete beim Gipfel die Frage, wie es im Worst Case weitergehe, ob Griechenland die Eurozone verlassen, aber EU-Mitglied bleiben könne: "Darauf gibt es keine Antwort im Vertrag. Denn der Vertrag sieht keine Rechtsgrundlage vor. So ein Fall kommt gar nicht vor, daher sollten wir den Fall auch erst gar nicht wahr werden lassen." (Thomas Mayer, 25.6.2015)