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Eines der bisher 102 Todesopfer gepanschten Alkohols wird von Verwandten als Teil seiner Beerdigung durch die Straßen von Mumbai getragen.

Foto: EPA / Divyakant Solanki

Sie klagten über Atemnot und Brustschmerzen, zitterten am ganzen Körper, erbrachen sich. Doch die Ärzte im Spital konnten ihnen nicht mehr helfen. Bisher 102 Menschen, bis auf zwei Frauen alles Männer, starben in Indiens Finanzmetropole Mumbai qualvoll an giftigem Billigschnaps. Die meisten stammten aus Lakshmi Nagar, einem großen Slumviertel, und waren bitterarme Tagelöhner und Rikschafahrer.

Es ist in Indien bei weitem nicht die erste Tragödie dieser Art. Seit Jahrzehnten sterben Arme an illegalem Schnaps, "Hooch" genannt, der mit tödlichen Substanzen versetzt ist. Erst im Jänner kamen 29 Menschen im Bundesstaat Uttar Pradesh ums Leben.

Das Verhältnis Indiens zum Alkohol ist bis heute zwiespältig, manche meinen auch: scheinheilig. Der Verkauf von Alkohol ist in den meisten Bundesstaaten streng reglementiert. Doch der Konsum steigt seit Jahren stetig an. Nicht nur die Reichen spannen gerne bei Whisky on the rocks oder einem Gläschen Champagner aus. Alkohol ist auch die Flucht des kleinen Mannes. Im Rausch können die Armen das Elend des Alltags für einige Stunden vergessen. Nicht wenige werden alkoholabhängig.

Billiger und stärker

Der Staat belegt Alkohol mit hohen Steuern und begründet dies mit gesundheitlichen Risiken. Und so greifen viele Arme zu illegal gebranntem Fusel, weil er stärker und billiger ist. Gerade einmal 20 bis 30 Rupien, umgerechnet 28 bis 42 Cent, sollen 180 Milliliter des Schnapses gekostet haben, den die Schwarzhändler feilbieten. Legalen Schnaps gibt es erst ab umgerechnet 63 Cent die Flasche. Schätzungen zufolge sind 50 bis 70 Prozent des in Indien konsumierten Alkohols illegal gebrannt oder geschmuggelt.

Der Rausch am Feierabend wird damit zum Russisch Roulette: Die Schwarzbrenner setzen oft Chemikalien und Kräuter zu, um die zudröhnende Wirkung zu verstärken. Oft enthält Hooch Methanol, eine toxische Form von Alkohol, die eigentlich als Anti-Frost-Mittel eingesetzt wird. Methanol entsteht, wenn die Temperaturen bei der Destillation zu hoch sind. Oft wird es aber absichtlich beigemischt, um die Kosten zu drücken. In hohen Dosen kann es zu Blindheit oder einem qualvollen Gifttod führen.

Politiker unter Verdacht

Hinter dem lukrativen Geschäft mit dem Schwarzgebranntem stehen oft mafiöse Netzwerke, an denen auch Beamte und Politiker beteiligt sein sollen. Vor allem in Bundesstaaten mit strikter Alkoholpolitik blüht das Geschäft mit dem illegalen Fusel, der meist in versteckten Dorfbrennereien hergestellt wird. Gujarat zum Beispiel gilt als Hooch-Hochburg, obwohl dort Schwarzbrennern sogar die Todesstrafe droht.

Von dort soll auch das toxische Gebräu gekommen sein, das in Mumbai zur tödlichen Tragödie geführt hat. Weitere 100 Menschen liegen mit Vergiftungserscheinungen im Spital. Inzwischen wurden sieben Personen festgenommen, darunter ein 26-Jähriger, der den Schnaps nach Mumbai geschmuggelt haben soll. Außerdem wurden acht Polizisten vom Dienst suspendiert, weil man sie verdächtigt, gegen Schmiergeld den illegalen Alkoholhandel gedeckt zu haben. (Christine Möllhoff aus Neu-Delhi, 26.6.2015)