1927 erhielt Julius Wagner-Jauregg (sitzend links) für die Therapie von Syphilis mit Malariafieber den Nobelpreis. In Wien wurde sie von seinem Schüler Hans Hoff (stehend, zweiter von rechts) unter höchst umstrittenen Umständen bis ins Jahr 1968 angewendet.

Foto: BULLETIN OF THE NEW YORK ACADEMY OF MEDICINE

Wien – Die Sache wurde Anfang 2012 publik und sorgte damals für einiges Aufsehen: Ehemalige Patienten der psychiatrischen Klinik Hoff, die von 1951 bis 1969 in Wien existierte, berichteten darüber, in den 1960er-Jahren mit Malaria angesteckt worden zu sein.

Bald war klar, dass es sich bei diesen unglaublich klingenden Vorwürfen nicht um Hirngespinste handelte. Die Medizinische Universität Wien beschloss, der Sache nachzugehen und richtete eine Historikerkommission ein, die am Mittwoch ihre nicht unumstrittenen Ergebnisse präsentierte.

Die Malariafiebertherapie hat eine besondere Wiener Geschichte: 1927 erhielt der Psychiater Julius Wagner-Jauregg für den Einsatz der Methode im Endstadium von Syphilis-Erkrankungen sogar den Nobelpreis. Nach 1945 verlor sie aber schnell an Bedeutung, da mit Penicillin bald ein weitaus besseres Mittel zur Syphilisbehandlung zur Verfügung stand.

Nichtsdestotrotz wurde die Malariafiebertherapie in Wien noch bis ins Jahr 1968 angewendet. Und zwar in der psychiatrischen Klinik von Hans Hoff, einem Schüler von Wagner-Jauregg, der 1938 emigrieren musste, ehe er als einer der wenigen Mediziner jüdischer Herkunft nach 1945 wieder nach Wien zurückkehrte.

Hoff setzte die Behandlung nicht nur im Endstadium von Syphilis ein, sondern auch bei schizophrenen und affektiven Erkrankungen, Intelligenzmangel und Psychopathien, wie die vom Historiker Gernot Heiß geleitete Kommission herausfand – und zwar in insgesamt 772 Fällen bei Erwachsenen und 35 Mal bei Kindern.

Missbräuchliche Anwendungen?

Doch war diese Methode in den 1960er-Jahren noch "zulässig"? Und kann ausgeschlossen werden, dass sie nicht missbräuchlich zur Anwendung kam? Über die Antworten auf diese Fragen schieden sich auch in der Kommission die Geister. Fünf Mitarbeiter und auch ein Mitglied des Projektbeirats distanzierten sich vom Endbericht, den Heiß gemeinsam mit Rektor Wolfgang Schütz und Johannes Wancata, Leiter der Klinischen Abteilung für Sozialpsychiatrie, vorstellte.

Heiß kommt in seinem von der MedUni Wien noch nicht offiziell publizierten Endbericht zum Schluss, dass vom damaligen medizinischen Standpunkt wenig bis nichts gegen die Therapie einzuwenden gewesen sei – auch wenn Wien damit eindeutig ein Sonderfall war. Damals seien aber auch die heute verpönte Elektrokrampftherapie oder die Insulinkomatherapie international populär gewesen, ergänzte Johannes Wancata.

Zum Dissens mit den Projektmitarbeitern (ihre Stellungnahme liegt dem STANDARD vor) sei es wegen methodischer Fragen gekommen, so Heiß: Die Ex-Mitarbeiter hätten Interviews mit Betroffenen bevorzugt, er stützte sich bei seinem Endbericht vor allem auf die – lückenhaften – medizinischen Quellen. Und die hätten keine Hinweise ergeben, dass die Therapie zu Versuchs- oder Bestrafungszwecken eingesetzt worden sei.

Aufgrund dieser eingestandenen Lücken bleibt natürlich der Verdacht, dass hier mehr Missbrauch betrieben worden sein könnte, als in den Patientenakten und damit auch im Endbericht dokumentiert wurde. Merkwürdig ist zudem, dass Hoff und seine Mitarbeiter über den Einsatz der "Therapie" so gut wie nichts publizierten. Immerhin räumt auch auch der Endbericht ein, dass rund 20 Personen vermutlich nur deshalb mit dem Malariaerreger angesteckt wurden, um diesen am Leben zu erhalten.

Enttäuschung bei den Opfern

Wie Ö1 am Donnerstag berichtete, erfuhren die Betroffenen erst aus den Medien von der Präsentation der Studie, wie ihr Anwalt Johannes Öhlböck sagte. Er vertritt 15 Personen, die zwischen 1961 und 1968 in der "Klinik Hoff" an der Wiener Universitätsklinik für Psychiatrie mit dem Malariaerreger infiziert wurden.

Laut Öhlböck hätten die Opfer versucht, sich in die Studie einzubringen. Sie seien auch der Grund gewesen, warum es die Kommission überhaupt gab, dennoch stießen sie aber immer wieder auf Ablehnung bei den Leitern des Forschungsprojekts.

Wolfgang Schütz, der Rektor der MedUni Wien schloss Entschädigungszahlungen an die Betroffenen am Mittwoch nicht aus. Die Kernaussagen des vorläufige Endberichts lassen freilich den Eindruck entstehen, als ob er in erster Linie zur Absicherung der Meduni Wien dienen sollte. (Klaus Taschwer, 24./25.6. 2015)