Dian Warsosumarto juriert bereits in Cannes.

Foto: Andreas Jakwerth

STANDARD: Sie haben in der letzten Woche Direktwerbung in Cannes juriert. Was genau verstehen Sie unter "Direct".

Warsosumarto: Das war die erste Frage die wir uns als Jury gestellt haben. Direktwerbung muss in erster Linie messbar sein, einen Call-to-Action kommunizieren und im besten Fall eine Kundenbeziehung herstellen oder verlängern. Historisch gesehen sprechen wir bei "Direct" ja von Mailings, also One-to-one Kommunikation mit einem Responseelement. Durch das Internet und mobile Endgeräte hat sich aber alles verändert, somit ist in "Direct" alles, von Flat Mailing bis hin zu Social Activations und Apps, vertreten. Für mich persönlich war es eine ungemein bereichernde Erfahrung bei dieser Kategorie jurieren zu dürfen. Vor allem weil es sich dabei um eine der innovativsten Kategorien handelt.

STANDARD: Können Sie uns etwas über den Direct-Grand-Prix-Case erzählen?

Warsosumarto: Wir haben uns beim Grand Prix für eine unheimlich disruptive Idee von Volvo entschieden. Als andere Automarken während des Superbowls Millionen ausgegeben haben um im TV präsent zu sein hat Volvo auf Twitter zu gesetzt. Wer während eines TV-Spots des Mitbewerbes einen Tweet mit Hashtag #Volvocontest gewteetet hat konnte einen Volvo gewinnen. So hat es die Marke geschafft, dass Konsumenten während eines Mercedes, Chevy oder Audispots nicht auf den Fernseher sondern in das Handy geschaut haben. Beim Grand-Prix geht es ja in erster Linie darum, wegweisende Ideen zu prämieren die in unserer Industrie neue Impulse setzen. Das haben wir beim #VolvoContest-Case am stärksten heraus gespürt.

STANDARD: Wie haben Sie auf die Nominierung als Juror reagiert? Was bedeutet es Ihnen persönlich? Wie fühlt es sich an, quasi auf der anderen Seite zu stehen?

Warsosumarto: Ich war zuerst einmal ziemlich baff und obwohl es viel Arbeit ist, ist es vor allem– so komisch es klingt – ein einzigartiges Privileg mit internationalen Kollegen und Kolleginnen eine Woche lang in einem Raum eingesperrt zu sein. Wir haben durchschnittlich 10 Stunden am Tag hunderte Cases aus 25 verschiedenen Sichten betrachtet und argumentiert. Diesen Grad an Professionalismus und Liebe zu Kreation, Ideen und Exekution ist kaum zu übertreffen. Das schöne ist, dass man trotz aller Unterschiede ähnliche Werte und das gleiche Qualitätsempfinden teilt. Meine Agentur und ich werden von dieser Erfahrung hoffentlich noch viele Jahre profitieren.

STANDARD: Um als Juror ausgewählt werden zu können, muss man selbst bereits in Cannes ausgezeichnet worden sein. Welche Bedeutung hat Ihr Löwen für Sie?

Warsosumarto: Cannes-Löwen sind für uns Kreative enorm wichtig. Sie sind, wenn man will, so etwas wie eine universelle Währung, die in jeder Agentur weltweit angenommen wird. Aus Agentursicht sind Löwen ein effektives Marketing- und Rekrutierungstool. Das Festival hat es in den letzten Jahrzehnten geschafft einen internationalen Standard für gute Werbung zu schaffen. Somit trägt man auch als Juror große Verantwortung, diesen Standard aufrechtzuerhalten.

STANDARD: Was ist für Sie Ihre bis dato wichtigste Auszeichnung?

Warsosumarto: Die wichtigsten Auszeichnungen haben mein Team und ich im letzen Jahr mit dem Samsung "Power Sleep" Projekt erhalten. Obwohl wir damit in Cannes leider nur Shortlistplatzierungen gewonnen haben war es ein Wahnsinns Gefühl mit Arbeiten wie dem "Epic Split" oder Pharrell Williams "Happy"-Video auf der Titanium-Shortlist zu stehen oder auch vor der Cannes Innovation-Jury zu präsentieren. Zudem haben wir heuer für die gleiche Arbeit einen D&AD Pencil gewonnen. Besonders stolz sind wir bei Cheil aber auf unseren Webby-Award für "Power Sleep". Soweit ich weiß ist das bisher nur einmal in Österreich vorgekommen. Der Webby prämiert nämlich viel mehr als nur Werbung, hier werden die relevantesten und international erfolgreichsten Inhalte des Webs prämiert – Apps, Websites, Performer – einfach alles.

STANDARD: Woran liegt es Ihrer Meinung nach, dass Österreich nach den letzten Jahren heuer relativ wenige Einreichungen hat?

Warsosumarto: Im letzten Jahr hat sich in der österreichischen Agenturszene viel getan. Sehr erfolgreiche Agenturen hatten kreative Abgänge zu verzeichnen und womöglich hat es auch budgetäre Gründe. Einreichen sollte man als Agentur aber ohnehin nur, wenn man sich sicher ist, etwas wirklich exzellentes gemacht zu haben. Für eine "Probier ma´s halt"-Strategie ist der Mitbewerb zu stark und die Kosten zu hoch.

STANDARD: Welches Verhältnis haben Sie persönlich zur Veranstaltung in Cannes?

Warsosumarto: Cannes ist für mich das Beste, das die Werbewelt zu bieten hat. Wahnsinnig gute Arbeiten, die cleversten Leute unserer Industrie, gutes Wetter und dazwischen auch mal ein kaltes Bier. Eine ziemlich runde Sache. (ahab, 23.6.2015)