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Kam quasi aus dem Nichts und wurde dank milliardenschwerer Zukäufe innerhalb weniger Jahre zu einem der wichtigsten Telekom-Player auf dem europäischen Markt: Numeri-Gründer Patrick Drahi.

Foto: Reuters/Philippe Wojazer

Vielleicht sollte sich die griechische Regierung mal bei Patrick Drahi erkundigen, wie man es macht. Der 51-jährige Kabelmagnat macht vor, wie man der halben Welt Milliarden schuldet – und sie dann in klingende Münze verwandelt.

In diesem und dem vergangenen Jahr kaufte Drahi für insgesamt 36 Milliarden Euro Unternehmen und Geschäftsanteile auf. Darunter sind Kabelbetreiber in Frankreich, Portugal, Belgien, Israel und seit Mai sogar den USA (Suddenlink). Zu dem neuen Medienimperium gehören auch Pariser Zeitschriften wie "L’Express" oder die linke Zeitung "Libération". Und im Nahen Osten sendet sein Newssender i24 heute in Französisch, Englisch und Arabisch, um eine Alternative zu Al-Jazeera zu bieten.

Lieblingswort "positiv"

Das Geld für diese planetare Einkaufstour stammt nicht aus Drahis Brieftasche. Der freundliche, unauffällige Telekom-Ingenieur, dessen Lieblingswort "positiv" ist, hat als Eltern zwei einfache Mathematiklehrer aus dem marokkanischen Casablanca. Die jüdische Familie emigrierte nach Südfrankreich, als Patrick 15 Jahre alt war. In der Umgebung von Montpellier arbeitete er als Verleger von Telekom-Kabeln.

Noch heute kennt er alle technischen Details der Fiberoptik – auch wenn er sich heute mehr und mehr als Investor betätigt. Drahi kaufte zuerst lokale Kabelanbieter auf, dann gründete er Numericable und machte daraus in wenigen Jahren den Branchenleader. Der stolze Geschäftserfolg machte den schweigsamen Selfmademan allerdings kaum über seine Branche hinaus bekannt.

Das änderte sich erst vor einem Jahr, als mit SFR der zweitgrößte Mobilfunkbetreiber Frankreichs zum Verkauf gelangte. Die Nummer drei, die dem mächtigen Bau- und Medienkonzern Bouygues gehört, sah sich mit ihrem Angebot von 11,3 Milliarden Euro schon am Ziel. Doch da trat überraschend Drahi auf den Plan; er warf scheinbar mühelos 11,8 Milliarden Euro in die Waagschale und heimste SFR im Handstreich ein.

Schulden machen, um Geld zu verdienen

Dieser Branchen-Bigbang hatte Folgen: Er schwächte Bouygues und schreckte die Zaungäste Orange (Nummer eins im französischen Telekom-Markt) und Free (Nummer vier) auf. Statt die Wogen zu glätten, doppelte Drahi gleich nach: Am Wochenende gab er bekannt, dass er gleich auch noch Bouygues' defizitäre Mobilfunksparte übernehmen will. Zweifellos würde er SFR damit fusionieren, um die neue Nummer eins in Frankreich zu bilden. Drahi bietet dafür runde 10 Milliarden.

Über die nötigen Mittel verfügt er wie üblich nicht selbst – er will sie bei den Banken aufnehmen. Das ist nichts anders als LBO, Leverage Buyout, oder fremdfinanzierte Übernahme, die später aus den Gewinnen und Dividenden abbezahlt wird. Einfach gesagt: Schulden machen, um Geld zu verdienen. Und in seinem Kaufrausch borgt sich Drahi schon neue Milliardenkredite, bevor er die alten getilgt hat. In Paris meinen viele, das neue Finanzimperium beruhe auf einer Blase, die schnell einmal platzen könnte, wenn die Zinsen steigen sollten.

Gewerkschaften schlagen Alarm

Der Verwaltungsrat von Bouygues trat am Dienstag in aller Hast zusammen, ohne sich vorerst öffentlich zu äußern. Eingeweihte rechnen damit, dass er den Preis für sein Mobilfunknetz hochtreiben will. Die Gewerkschaften läuten Sturm: Sie schätzen, dass SFR und Bouygues 3.000 überschneidende Arbeitsplätze abbauen könnten, wenn sie zum neuen Branchenleader Frankreichs vereint würden.

Premierminister Manuel Valls macht seine – formell nicht nötige – Zustimmung zu dem Deal von "fünf Bedingungen" abhängig, wie er sagte. Darunter ist vor allem der Erhalt der Arbeitsplätze. Der nicht minder überrumpelte Wirtschaftsminister Emmanuel Macron lud Drahi am Dienstagabend in sein Büro vor. Er lehnt das Projekt ebenfalls ab, da er Frankreich aus Wettbewerbsgründen vier Mobilfunkbetreiber erhalten will. Das ist doch eher paradox: Während die Linksregierung in Paris für die marktstimulierende Konkurrenz eintritt, will sie der freie Unternehmer Drahi abbauen.

Kritik wegen Steuertricks

Drahi hat Bouygues deshalb noch nicht im Sack. Er stößt in Paris generell auf immer mehr Widerstand. Kritisiert wird, dass er seine meisten Gewinne in Frankreich mache, das Steuerdomizil seiner Holding Altice aber nach Luxemburg verlegt habe. Börsennotiert ist sie in Amsterdam; Drahi selbst wohnt in der Schweiz, seine Privatholding liegt auf der britischen Kanalinsel Guernsey.

Drahi, der sonst nie Interviews gibt, trat vor kurzem erstmals an die Öffentlichkeit, um sich zu verteidigen. Über die notwendigen Medienkanäle verfügt er nun: In seiner Zeitung "Libération" erklärte er, auch französische Konzerne wie Airbus oder Air France seien in Amsterdam notiert.

16 Milliarden Dollar Vermögen

Und es stimmt, Drahi betreibt mit seinen zahlreichen Adressen nicht nur Steueroptimierung. Der Franko-Israeli, der laut Pressemeldungen 2014 den französischen Pass abgeben wollte, macht auch sonst einen großen Bogen um das mondäne Tout-Paris. Obwohl sein Vermögen von Forbes auf 16 Milliarden Dollar (14 Milliarden Euro) beziffert wird, fliegt er zu Wochenbeginn nicht mit dem Privatjet von Genf in sein Pariser Büro – Easyjet tut es für ihn auch.

Wenn Drahi auf Distanz zu den Pariser Intrigen bleibt, hat das wohl auch damit zu tun, dass seine Pläne längst darüber hinausgehen: Gerüchteweise interessiert er sich nach Bouygues für einen noch größeren Fisch – den US-Konzern Time Warner Cable (TWC). (Stefan Brändle aus Paris, 24.6.2015)