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Viele Böden in Nordkorea sind ausgetrocknet, die Nahrungsmittelproduktion leidet, und eine Hungersnot droht.

Foto: REUTERS/Bobby Yip

Auch wenn das Kim-Regime in den letzten Jahren durchaus offener im Umgang mit den eigenen Problemen geworden ist, sind solche Worte mehr als beachtlich: Nordkorea sei von einer "Jahrhundertdürre" bedroht, im ganzen Land läge ein Viertel aller Reisfelder brach, und die Frühernte sei in Gefahr. Dies vermeldete keineswegs eine besorgte Hilfsorganisation, sondern die staatliche Nachrichtenagentur KCNA.

Das letzte Mal verwendete sie solch drastische Formulierungen vor 20 Jahren: Nach dem Kollaps der Sowjetunion litt Nordkorea unter der größten Hungersnot seiner Geschichte. Hunderttausende sollen damals verhungert sein, manche NGOs sprechen gar von bis zu drei Millionen Toten. Steht das Land nun vor einer ähnlichen Tragödie?

Wassermangel bedroht Wirtschaftsaufschwung

Auch wenn Nordkorea bereits die zweite Dürreperiode in Folge erleidet, wäre ein solches Szenario äußerst unwahrscheinlich. Das ist nicht zuletzt das Verdienst von Kim Jong-un. Der 31-jährige Diktator hat seit seinem Amtsantritt 2011 die Wirtschaft des Landes für nordkoreanische Verhältnisse mit beachtlicher Geschwindigkeit reformiert. Allen voran die Landwirtschaft: Seit 2013 dürfen kleine Bauernkollektive ein Drittel ihrer Ernte behalten, in diesem Jahr soll der Anteil auf das Doppelte ansteigen. Der marktwirtschaftliche Anreiz hat die Produktivität umgehend in die Höhe schnellen lassen. Dennoch droht der Wassermangel den jüngsten Wirtschaftsaufschwung nun wieder zunichtezumachen.

"Für die ohnehin angespannte Nahrungsmittelsituation wird das nächste Jahr ein Riesenproblem sein", sagt Simone Pott von der deutschen Welthungerhilfe, die seit fast 20 Jahren durchgängig in Nordkorea arbeitet. Die Berichte der letzten UN-Delegation vom 10. Juni sind erschreckend: Die Ernte wird laut Schätzungen der Experten um bis zu 50 Prozent einbrechen, über zwei Drittel der Bevölkerung werden unter der Dürreperiode zu leiden haben. Die Flusspegel in den agrarwirtschaftlich geprägten Tiefebenen südlich von Pjöngjang sind laut Informanten des Fachmediums Daily NK um bis zu vier Meter gesunken und von salzigem Meerwasser geflutet. Die Wasserreserven sind jedoch von der Trockenzeit letztes Jahr fast vollständig aufgebraucht.

Ausländische Hilfe nötig

Dabei gewinnt Nordkorea nahezu zwei Drittel seiner Elektrizität aus Wasserkraft. Seit jeher hat das Land mit chronischem Energiemangel zu kämpfen, nicht zuletzt weil die Infrastruktur vorwiegend aus Sowjetzeiten stammt. Touristen, die erst kürzlich das Land besucht haben, berichten, dass die Stromausfälle nun erstmals auch die Ausländerhotels betreffen würden. Kinder im Grundschulalter würden mit Wassereimern durch die verstaubten Landstraßen marschieren.

Dass Kim Jong-un die missliche Lage im Land offen zugibt, soll der Weltgemeinschaft vor allem signalisieren, dass man auf Hilfsgelder angewiesen sein wird. Diese sind jedoch in den vergangenen Jahren kontinuierlich gesunken.

Allein die UN-Vertretungen haben ihre Mittel in der letzten Dekade von 300 Millionen Dollar auf ein Sechstel gekürzt. Und die Beziehungen Nordkoreas zur internationalen Gemeinschaft sind frostig wie schon lange nicht mehr. Von Südkorea, das derzeit ebenso mit einer langanhaltenden Dürre zu kämpfen hat, sind keine Hilfslieferungen zu erwarten. Auch US-Diplomaten haben bereits abgewunken.

China bietet Hilfe an

Die Rolle des Geldgebers kommt jetzt China zu, Nordkoreas letztem Verbündeten. Nicht zuletzt auch aus eigenem wirtschaftlichem Kalkül: Während der großen Hungersnöte in den 90ern flüchteten hunderttausende Nordkoreaner über die Grenze zum westlichen Nachbarn. Das Reich der Mitte hat am Donnerstag angekündigt, mit Hilfslieferungen einzuspringen.

Ob Kim Jong-un das recht ist, bleibt fraglich. China kommt nicht nur für Nordkoreas gesamte Ölimporte auf, sondern hat auch die stärkste Durchsetzungskraft, seine Hilfe an politische Forderungen zu knüpfen – und Nordkoreas Atomprogramm ist auch Peking zunehmend ein Dorn im Auge. (Fabian Kretschmer aus Seoul, 23.6.2015)