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Herzog Blaubarts (Gábor Bretz, 2. v. re.) Burg birgt viele Rätsel und Geheimnisse: Zum Finale der Wiener Festwochen sucht Judith (Nora Gubisch, re.) einiges davon zu entschlüsseln.

Foto: APA/WIENER FESTWOCHEN/BERND UHLIG

Wien – Es ist die verflixte siebente Tür, die Wahrheitssucherin Judith zum Verhängnis wird: Unablässig hat sie fragend nach dem Verborgenen im Herzog gesucht; nur widerwillig hat ihr der begehrte Herr Blaubart Tür um Tür zu den Kammern seiner Seelenburg geöffnet. Nun ging also auch die siebente Tür auf, und drei Vorgängerinnen Judiths schweben schlafwandlerisch herbei, um in diesem kahl-düsteren Rasum Judiths Nähe zu suchen. Mit ihr verschmelzen sie zu einer – von Blaubart geformten – Frauenskulptur, die sich schnell auflöst. Alle vier liegen dann leblos auf dem Boden, vier Frauen als vier Tagezeiten: Morgen, Mittag, Abend und – nun Judith – als Nacht.

Bis es so weit ist, modelliert Regisseurin Andrea Breth eine bisweilen rätselhaft minimalische Studie einer versuchten Annäherung, zeigt Stationen eines Versuchs, durch Wahrheit Nähe zu gewinnen oder auch fundamentaler Einsamkeit zu entrinnen. Judiths Suche bereitet Blaubart allerdings Qualen der Selbstbegegnung. Das Begehren, das ihn an sie bindet, lebt von Distanz. Die eigene Biografie, die Räume seines Inneren müssen verborgen bleiben. Und es geht in der subtilen Regie von Breth nicht vordergründig um einen Serienmörder, der seine wahre Identität verbirgt. Breth hebt die zwei Liebesexistenzen auf eine allgemeine Ebene, auf der es um jene Fremdheit geht, die trotz gegenseitigen Magnetismus eine ewige Mauer bleibt.

In der Horizontale

Sehr wohl inszeniert Breth allerdings jeden Burg- und Seelenraum: In einem wird Judith mit Halsketten behängt, in einem anderen sitzt das seltsame Paar an einer Tafel. Dann wieder ist auf einem Erdhügel amouröse Horizontale angesagt, ein gruselig-poetisches, starres Nebeneinander-Liegen. Sie sind nicht allein, skurrile Figuren sind fast überall: An einer Stelle versucht eine Stumme vergeblich, Judith Blumen zu reichen, um sodann kraftlos im Stuhl zu versinken. Es bleibt jedoch alles frei von plakativen Momenten, die Figuren treibt kein platter Aktionismus an. Eher verharren Judith und Blaubart, wie von Unausweichlichkeit an einer Schnur gezogen, in traumartig-ratloser Pose, bleiben in Ritualen gefangene Geschöpfe. Ihre sind bohrende Fragen, seine sind körperlicher Natur: Unablässig donnert Blaubart an einer Stelle mit dem Kopf gegen Wände, unfähig sich von Zwängen zu lösen. Als Herzog Blaubart gibt der überwiegend exzellent singende Gábor Bretz eine verlorene Existenz, die von sich selbst befreit werden möchte. Judith präsentiert Nora Gubisch (vokal respektabel) als energische Figur, der das Mahler Jugendorchester unter Kent Nagano mit kühler Poesie folgt und im Dramatischen auf Klarheit setzt.

Nach Ende von Herzog Blaubarts Burg wird der Frauensammler wiederauftauchen. Nach der Psychoreise betritt er eine achte Kammer, in der drei seiner Frauen sitzen und zudem eine Art "Pensionistenaufstellung" inszeniert wird. Es ist ein Wartesaal des Dahindämmerns, den Blaubart schnell wieder verlässt. Für die Männer steht in Breths Geistervariationen die Zeit jedoch still. Sie putzen Heizkörper, stellen Heiratsanträge, steppen, fallen um.

Im Grunde sind sie Gefangene der Ereignislosigkeit, aus denen Weisheiten und Biografisches heraussprudeln. Im existenziellen Warteraum mit Bewohnern, die ans Ende ihrer Tage angelangt sind und um die nach Hundegebell und Fliegengesumme Schumanns Thema mit Variationen in Es-Dur erklingt. Es sind die Geistervariationen, die Elisabeth Leonskaja leicht schweben lässt, bis das Licht ausgeht. Am 25. 6. wird es in der poetisch-rätselhaften Produktion statt Leonskaja Intendant Markus Hinterhäuser tun. (Ljubiša Tošić, 22.6.2015)