Zuerst die gute Nachricht, nach so vielen schlechten: Wie sich die Grazer während und nach der Amokfahrt verhielten, war vorbildhaft. Einheimische und Touristen, Laien und zufällig anwesende Ärzte, Alte und Junge – alle halfen Verletzten, wo und wie sie konnten. Geschäfte sperrten zu, Fremde trösteten einander. Man nennt so etwas Empathie oder Mitgefühl. Das gehört zur Grundausstattung eines gesunden Menschen.

Ein offenbar psychisch kranker Mann hat viel Leid angerichtet. Da braucht man Trost, Zusammenhalt, keine Angstmache. Doch auf der Facebook-Seite von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache vermisste man Mitgefühl für die trauernde Stadt. Dafür gab es schon kurz nach der Tat Verdächtigungen, es habe sich um ein "religiös begründetes Attentat" gehandelt. Obwohl die Polizei das dezidiert ausschloss.

Man muss Mitgefühl für Strache haben. Mangelnde Empathie ist sicher eine Bürde. Doch Hilfe ist möglich. Es gibt Experten, die Empathieschulungen anbieten. Es müssen ja nicht verpflichtende Kurse sein. Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer und der Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl blieben am Samstag menschlich und sachlich. Nagl sagte angesichts des Täters, man müsse mehr hinhören auf die Mitmenschen, und fragte: "Was ist los mit der Psyche der Menschen?" Vielleicht braucht Strache gar keine Experten. Vielleicht gibt ihm Nagl Nachhilfe. Aber vielleicht hat der auch gerade echt Wichtigeres zu tun. (Colette M. Schmidt, 21.6.2015)