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Ein bosniakisches Mädchen in der Gedenkstätte Potočari bei Srebrenica am 11. Juli 2014. Der heurige 20. Jahrestag des Völkermords wirft auf dem Balkan bereits seine politischen Schatten voraus.

Foto: APA / EPA / Fehim Demir

Am 11. Juli vor 20 Jahren begann das orchestrierte Blutbad in Srebrenica. Bosnisch-serbische Truppen richteten in wenigen Tagen über 7000 muslimische Buben und Männer hin. Der Internationale Gerichtshof (IGH) und das UN-Kriegsverbrechertribunal für das ehemalige Jugoslawien bezeichneten das Massaker als Völkermord. Nun sollen auf Initiative Großbritanniens die UN eine Srebrenica-Resolution verabschieden, berichten serbische Medien.

Der Entwurf dazu verurteilt den Völkermord in Srebrenica und die Verletzung der Menschenrechte, drückt Mitgefühl für die Opfer aus und begrüßt die Bemühungen, die Ereignisse weiter zu untersuchen und die Täter zur Verantwortung zu ziehen. Außerdem verurteilt das Papier jegliches Leugnen des Genozids. UN-Mitgliedsstaaten werden aufgerufen, "Bildungsprogramme zu entwickeln", die künftige Generationen über vergangene Völkermorde, Kriegsverbrechen, ethnische Säuberungen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit aufklären sollen.

35-mal "Genozid", einmal "Versöhnung"

In Serbien, wo der Völkermord von Srebrenica größtenteils totgeschwiegen wird, schaut man mit Unbehagen auf den bevorstehenden 20. Jahrestag dieses Verbrechens. In der Resolution wittern serbische Medien und Spitzenpolitiker vor allem politischen Druck auf die Regierung.

Die Tageszeitung "Politika" betont, dass in dem vier Seiten langen Resolutionsentwurf 35-mal das Wort Genozid stehe, jedoch nur einmal das Wort "Versöhnung". Die Zeitung "Danas" schreibt, im Büro von Staatspräsident Tomislav Nikolić halte man "nichts Gutes" von der Resolution, denn Srebrenica sei kein "isolierter" Fall gewesen. Immerhin seien dort zuvor auch Serben massakriert worden. Belgrad solle daher von Russland fordern, im UN-Sicherheitsrat ein Veto gegen die Resolution einzulegen.

Chauvinismus und Hass

Warum sich die serbische Staatsspitze so schwertut mit allem, was mit dem Völkermord in Srebrenica zu tun hat, erklärt der Redakteur des Politmagazins "Vreme", Filip Švarm, auch mit der persönlichen Vergangenheit einiger Politiker. Präsident Nikolić und Premier Aleksandar Vučić seien damals Teil des politischen Systems in Serbien gewesen, das Chauvinismus, Hass und Krieg befürwortet und es überhaupt erst ermöglicht habe, dass es zu Srebrenica gekommen sei, schreibt Švarm. Er erinnert daran, dass Vučić 1995 im serbischen Parlament gesagt habe, dass "wir für einen Serben 100 Muslime töten werden", falls die internationale Gemeinschaft die Stellungen der bosnischen Serben angreife, aber auch, dass Nikolić und Vučić über ein Jahrzehnt nach dem Genozid von Srebrenica Ratko Mladić und Radovan Karadžić unterstützt hätten, die bosnischen Serbenführer, denen wegen des Völkermords an Muslimen in Den Haag der Prozess gemacht wird. Erst später verwandelten sich die zwei Nationalisten in proeuropäische Politiker und gründeten die nun regierende Serbische Fortschrittspartei (SNS).

Vučić erklärte sich vergangene Woche während einer Pressekonferenz bereit, die muslimischen Opfer von Srebrenica bei der zentralen Gedenkfeier in Potočari am 11. Juli zu ehren, falls die Bosniaken das wollten. Als Ministerpräsident sei er bereit, "sein Haupt zu senken" und zu zeigen, was für ein Verhältnis die Serben zu den "unschuldigen Opfern von Srebrenica" hätten.

Streit um Haftbefehle

Gleich danach betonte er jedoch, dass der bosnische Kriegskommandant von Srebrenica, Naser Orić, ein Kriegsverbrecher sei. Orić wurde aufgrund eines von Serbien ausgestellten Interpol-Haftbefehls vor knapp zwei Wochen in der Schweiz festgenommen. Vučić las die Aussage eines angeblichen Augenzeugen vor, der behauptet, dass eine von Orić angeführte Gruppe serbische Zivilisten "abgeschlachtet" habe. Sarajevo fordert von Belgrad, den Haftbefehl gegen Orić zurückzuziehen, Vučić lehnt das allerdings entschieden ab.

Im Fall des vorige Woche in Slowenien festgenommenen kosovarischen Oppositionspolitikers Ramush Haradinaj ist es indes zu einer Wende gekommen. Am Freitag erhielt Haradinaj seinen Reisepass zurück und konnte nach Prishtina ausreisen. Haradinaj war aufgrund eines aus dem Jahr 2004 stammenden Haftbefehls des (nicht mehr existierenden) Staates Serbien-Montenegro festgenommen worden. Der Haftbefehl war von zahlreichen Staaten ignoriert worden, nachdem der Ex-Premier vom UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag freigesprochen worden war. (Andrej Ivanji aus Belgrad, 22.6.2015)