Keine Frage: Ein Grexit wäre schon ein ziemlicher Schock. Ein Austritt aus EU und Währungsunion würde Importe verteuern, Spareinlagen entwerten, die Union geopolitisch arg schwächen und möglicherweise beseitigt geglaubte Ansteckungsgefahren anderer Euro-Randländer offenlegen. Doch für die Griechen böte eine Rückkehr zur Drachme samt Schuldenschnitt auch viele Chancen. Vor allem würde der bisherige Zustand beendet, der trotz hoher Hilfszahlungen einen immensen Wohlstandsverlust gebracht hat.

Dass eigentlich alles besser ist als die seit 2008 andauernde Rezession, darauf weisen einige Ökonomen hin. Gabriel Sterne von Oxford Economics hat anhand einer vom Internationalen Währungsfonds dokumentierten Übersicht über 137 Finanzkrisen herausgefunden, dass Griechenlands Absturz größer war als in 95 Prozent aller evaluierten Fälle. Lediglich das Insolvenzdesaster Argentiniens, Depressionen infolge von Kriegen wie in der Ukraine und afrikanische Rohstoff-Zusammenbrüche führten zu ähnlichen Talfahrten. Anders ausgedrückt: Griechenland zählt jetzt schon zu den größten wirtschaftlichen Katastrophen der letzten Jahrzehnte und hätte selbst im Falle einer Verlängerung der Hilfskredite angesichts schleppender Reformen und weiterer Einsparungen wenig Chancen auf einen Umschwung.

Wettbewerbsfähiger

Bekannt ist, dass die Exporte bei einem Austritt aus der Währungsunion dank der damit verbundenen Abwertung wieder wettbewerbsfähiger würden. Dann rechnen Experten auch damit, dass wieder Auslandskapital ins Land fließen würde. Und auch die Verteuerung der Einfuhren, die direkt die Konsumenten über höhere Energie- oder Medikamentenpreise hart treffen würde, hätte ihre positiven Seiten: Die relative Verbilligung von Produkten aus lokaler Herstellung würde die Nachfrage erhöhen und die Beschäftigung ankurbeln. Das gilt vor allem für agrarische Erzeugnisse, bei denen die Hellenen trotz guter Produktionsbedingungen zu Nettoimporteuren wurden.

Einige Experten weisen darauf hin, dass auch die mit einer Währungsabwertung verbundene Verteuerung der Auslandsschulden verkraftbar sein sollte. Denn unter dem Strich verfügen sowohl Haushalt als auch Unternehmen einen positiven externen Kapitalsaldo. Anders sieht es bei den öffentlichen Verbindlichkeiten aus. Doch sowohl die Schulden des Staates als auch die der Notenbank gegenüber internationalen Gläubigern – allen voran die Eurozone – würden wohl geschnitten. Starker Tobak für die Helfer – oder auch nicht: Denn dass die Hilfskredite einzutreiben sind, wird von vielen Fachleuten stark bezweifelt. (Andreas Schnauder, 21.6.2015)