Wien/Paris – "In einem Land, wo auf nationaler Ebene wenig bis nichts geschieht, ist es kaum möglich, große Vorgaben für Paris zu machen." Helga Kromp-Kolb, renommierte Wissenschafterin (Boku Wien) und Mahnerin in Sachen Klimawandel, wird nicht müde, gerade von der österreichischen Regierung ein engagierteres Vorgehen zur Eindämmung des CO2-Ausstoßes zu verlangen. Kohlendioxid, das unter anderem beim Verbrennen von Öl und Gas freigesetzt wird, gilt als Hauptursache der Erderwärmung.
Knapp 19 Wochen sind es noch bis zum Beginn der Weltklimakonferenz in Paris. Von dem zwischen 30. November und 11. Dezember anberaumten Treffen in der französischen Hauptstadt werden entscheidende Weichenstellungen zur Eindämmung der Erderwärmung erhofft. Bereits jetzt vergeht kaum eine Woche, in der nicht irgendwo in einem der 195 Vertragsstaaten (plus EU) Verantwortungsträger ihre Köpfe zusammensteckten, um Möglichkeiten für einen erfolgreichen Konferenzabschluss auszuloten.
Dass die sieben mächtigsten Wirtschaftsnationen (G7) mit US-Präsident Barack Obama an der Spitze vor zwei Wochen auf Schloss Elmau übereingekommen sind, den weltweiten Ausstoß von Treibhausgasen bis 2100 auf null zu senken und den globalen Temperaturanstieg bei zwei Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen, gilt vielen als gutes Omen. Wäre es nicht gelungen, Kanada und Japan als Hauptgegner von verbindlichen Vereinbarungen in bisherigen Verhandlungen "auf Linie" zu bringen, hätte es für die Dezemberkonferenz in Paris nur düster ausgeschaut.
Und es gibt Beistand aus dem Vatikan. Papst Franziskus hat in seiner ersten eigenen Enzyklika Umweltzerstörung, Klimawandel und Konsumrausch angeprangert.
Allerdings sind die Risiken, dass die Weltklimakonferenz in ihrer 21. Auflage (COP 21) statt der dringend erforderlichen Vereinbarung eines radikalen CO2-Schnitts wieder nur heiße Luft produziert, nicht zu unterschätzen. Das zeigte eine von der französischen Botschaft in der Vorwoche in Wien organisierte Tagung.
Zu schnell, zu viel, zu wenig
Vertreter der Industrie pochten auf den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit, andere Wirtschaftssektoren strichen hervor, welche Maßnahmen zur Reduktion des Energieverbrauchs bereits ergriffen worden seien. Und Repräsentanten von Nichtregierungsorganisationen klagten, alles gehe zu langsam.
Das findet auch Kromp-Kolb. Neben ihrer Tätigkeit an der Boku hat sie im Vorjahr den österreichischen Sachstandsbericht Klimawandel koordiniert. "Wir haben versucht aufzuzeigen, wo die Probleme liegen und was zu tun ist. Als Botschaft ist angekommen, dass es bei uns schneller warm wird als global, aber nicht, dass wir rasch etwas tun müssen dagegen", sagte die Wissenschafterin dem STANDARD.
In Österreich bestimmen weitgehend die Sozialpartner, was Sache ist, auch in der Klimapolitik. Sie haben dabei unterschiedliche Positionen. Die liegen zwar nicht so weit auseinander; weil es aber zu wenig Druck gibt vonseiten der Politik, von NGOs und von der Bevölkerung, haben die Sozialpartner wenig Anlass, sich auf eine Position zu einigen.
Und international? Der Prozess, wie ein Abschlussdokument für die Klimakonferenz zustande kommt, ist mühsam. Im Vorfeld sind Beamte mit dem Formulieren eines Papiers betraut. Die sind zwar sachkundig, haben aber in der Regel keinen (politischen) Spielraum. Bei der Konferenz selbst müssen sich aber letztlich Politiker zusammenraufen, die in den Entstehungsprozess nicht eingebunden waren.
Besser wäre es deshalb, wenn sich Politiker bereits im Vorfeld auf Eckpunkte einigen könnten und die Detailarbeit den Beamten überließen. So würden die Chancen steigen, dass der gordische Knoten, der sich im Lauf der vielen Klimakonferenzen gebildet hat, erfolgreich zerschlagen wird. (Günther Strobl, 22.6.2015)