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Begrüßung für Tschads Präsident Idriss Déby vor einigen Tagen in Nigeria. Die Allianz gilt als Schlüssel im Kampf gegen Boko Haram.

Foto: Reuters / AFOLABI SOTUNDE

Noch bis Mitte Mai war der Optimismus in Nigeria groß. Die Armee eroberte von der Terrormiliz Boko Haram besetzte Gebiete zurück und befreite zwischen 500 und 1000 entführte Frauen und Kinder. Das sagten zumindest Militärsprecher. Das Ende des Terrorproblems schien nur noch eine Frage der Zeit zu sein. Von dieser Hoffnung ist wenige Wochen später nichts mehr geblieben.

Denn Boko Haram hat in den vergangenen Tagen wieder begonnen, seine grausame Blutspur durch den Norden von Afrikas bevölkerungsreichstem Staat und durch die Nachbarstaaten Tschad und Niger zu ziehen. Sie zeigt: Die Kämpfer haben sich nicht einmal in entlegene Regionen zurückgezogen, sondern greifen problemlos Provinzhauptstädte wie Yola und Maiduguri oder die tschadische Hauptstadt N’Djamena an. Seit Ende Mai sind dabei in Nigeria an die hundert Menschen ums Leben gekommen, dutzende weitere in den Nachbarstaaten.

Noch immer über 1500 Menschen in Geiselhaft

Die Angriffe gelten als aggressive Reaktion auf die Antrittsrede, die der neue Präsident Muhammadu Buhari vor einigen Wochen gehalten hatte. Er hatte damals gesagt, Boko Haram sei erst besiegt, wenn die Mädchen von Chibok und alle anderen Entführungs opfer befreit seien. Davon ist man trotz der Erfolge vom Frühjahr noch immer weit entfernt: Mindestens 1000 bis 1500 Frauen und Kinder dürften noch immer in Geiselhaft der Islamisten sein.

Außerdem kündigte der 72-jährige General damals an, in der Stadt Maiduguri – dort gründete sich die Miliz im Jahr 2002 – eine Kommandozentrale errichten zu wollen, um näher am Ort des Geschehens den Kampf gegen den Terrorismus zu steuern. Das ist eine neue Entwicklung. Für Vorgänger Goodluck Jonathan war der Nordosten Nigerias stets weit weg.

Sympathien für entschlossenen Präsidenten

Diese Ankündigungen brachten Buhari, der am 28. März als Oppositionskandidat die absolute Mehrheit erhalten hatte, in der Bevölkerung Sympathien ein. Und sie erweckten den Eindruck: Hier will jemand den Terror tatsächlich beenden – anders als Jonathan, der Boko Haram zeitweise als Randthema, nicht als zentrales Problem zu sehen schien.

Unterstrichen hat er das außerdem mit seiner ersten Auslandsreise. Er besuchte die Nachbarstaaten Tschad und Niger, die Kämpfer als Rückzugsorte und als neue Angriffsziele nutzen.

Zentrale Regionalallianz

Wenig später folgten die Rückbesuche: Tschads Präsident Idriss Déby war vor rund einer Woche in Abuja – nur wenige Tage vor dem blutigen Anschlag Boko Harams, bei dem in Tschads Hauptstadt N’Djamena dutzende Menschen getötet wurden. Doch die Einheit bleibt lose: Am Donnerstag will der Tschad Lufteinsätze gegen Boko Haram in Nigeria geflogen haben. Die Regierung in Abuja wies diese Angaben am Freitag hingegen zurück.

Dass es Buhari gelingen wird, den militärischen Kampf gegen die Terroristen zu intensivieren, galt lange als wahrscheinlich. Er hat seine Karriere in der Armee gemacht und verfügt dort über ein großes Netzwerk. Beliebt gemacht hat er sich seit seinem Amtsantritt dort aber nicht. Nachdem ein Amnesty-International-Bericht den Streitkräften massive Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen hatte, kündigte Buhari an, die Vorwürfe – unter anderem sollen mindestens 8000 Zivilisten in Armee- und Polizeigewahrsam gestorben sein – untersuchen zu lassen.

Korrupte gewinnen am Erfolg von Boko Haram

Trotz der Unstimmigkeiten bleibt ein weiterer Vorteil: Buhari gilt als Korruptionsbekämpfer. Dies steht auch mit Boko Haram im Zusammenhang, erklärt Hussaini Abdu, Landesdirektor der NGO Plan International: "Menschen haben Boko Haram genutzt, um öffentliche Gelder zu stehlen." Je unsicherer die Lage im Norden ist, desto mehr Geld wird für Sicherheit ausgegeben. Das wird dann illegal abgezweigt. Und wer das tut, dürfte deshalb kaum Interesse am Ende des Terrors haben.

Doch auch ohne gierige Militärs wird dieser noch lange anhalten, ist sich Journalist Ahmad Salkida sicher, der die Gruppe seit Jahren beobachtet. Er sieht schon seit Beginn der Offensive keine großen Verluste für die Islamisten. (Katrin Gänsler aus Abuja, 20.6.2015)