Eisenstadt – In Eisenstadt musste sich am Freitag der burgenländische Landtagspräsident Gerhard Steier (SPÖ) vor Gericht verantworten. Ihm und drei Gemeindebediensteten wurde Amtsmissbrauch durch Scheinanmeldungen von Schülern in Siegendorf vorgeworfen. Ein Schöffensenat sprach Steier und eine Gemeindemitarbeiterin im Zweifel frei, der Amtsleiter wurde schuldig gesprochen, das vierte Verfahren wurde vertagt.

Die in der Anklage erhobenen Vorwürfe, basierend auf anonymen Anzeigen, stammten aus dem Jahr 2009. Damals habe ein Familienvater aus Sopron seine drei Kinder in Siegendorf in die Schule schicken und sie – nachdem er Auskunft erhalten hatte, dass dies notwendig sei – auch im Ort anmelden wollen, so Staatsanwalt Roland Koch. Nachdem es ihm nicht gelungen sei, eine Privatperson zu finden, die seine Kinder bei sich angemeldet hätte, habe er sich an die Gemeinde gewandt.

Schließlich seien der Mann und sein Sohn im Juli 2009 in einer leer stehenden Gemeindewohnung, die eigentlich verkauft werden sollte, mit einem Nebenwohnsitz gemeldet worden. Im September wurde die Meldung auch für die zwei Töchter des Mannes durchgeführt. Steier habe damals als Bürgermeister die Nebenwohnsitz-Meldungen genehmigt, der Amtsleiter habe nach einem Gespräch mit ihm die Meldungen unterschrieben und an die Gemeindebediensteten weitergeleitet. Diese hätten die Einträge ins Melderegister ausgeführt, erläuterte Koch. Dass die Personen niemals in Siegendorf gewohnt hätten, "das war allen Beteiligten von vorneherein klar", stellte der Staatsanwalt fest.

Eine Meldung, "die nicht gemacht werden darf"

Rechtsanwalt Werner Dax, der gemeinsam mit seinem Kollegen Martin Lehner die vier Angeklagten vertrat, hob hervor, dass man über Vorwürfe aus dem Jahr 2009 spreche. Heute wisse jeder, "dass diese Meldung nicht gemacht werden darf", doch damals sei dieses Problem der Nebenwohnsitz-Meldungen "überhaupt nicht bewusst" gewesen. Seit 2012 sei der Fall anhängig, die Anklage sei zwei Monate vor der Landtagswahl erhoben worden. Möglicherweise stehe eine "politische Motivation" dahinter, so Dax.

Das Gespräch, das Steier damals als Ortschef mit dem Amtsleiter geführt haben soll, nahm bei den Befragungen breiten Raum ein. Der Amtsleiter hatte erklärt, dass er dem Bürgermeister seine Rechtsmeinung vorgetragen und von ihm die konkrete Beauftragung bekommen habe, das Meldeverhältnis zu begründen – mit der Bemerkung: "Wenn die Rechtsmeinung so passt, dann ist das für mich ok." Das stimme sicher nicht, entgegnete Steier: "Ich habe im Meldewesen keine Weisung, keine Anleitung wie auch immer gegeben."

Die Vorsitzende des Schöffensenats, Richterin Birgit Falb und Staatsanwalt Roland Koch befragten den Landtagspräsidenten bis ins Detail zu den Vorgängen vor sechs Jahren. An ein Gespräch über die Anmeldung des Mannes aus Ungarn könne er sich nicht erinnern, sagte Steier. Er habe nur über die Erhebungen erfahren, dass es eine Anmeldung gab. "Was haben sie 2009 über das Meldewesen gewusst?" wollte der Ankläger wissen. "Ich habe mich mit dem Meldewesen nicht befasst", antwortete der Landtagspräsident und blieb auch auf mehrmalige Nachfrage bei seiner Aussage.

"Beweise sind eindeutig"

Der Vater der drei Kinder sagte auch auf vielfaches Nachfragen, dass er sich zwar erinnern könne, wegen der Anmeldungen in Siegendorf gewesen zu sein, er könne jedoch zu Details keine Auskunft mehr geben. Weil sich bei einer der zwei angeklagten Gemeindebediensteten nicht klären ließ, ob sie im Dienst war, als die Kinder angemeldet wurden, wurde ihr Verfahren vertagt.

"Die Beweise sind eindeutig", stellte der Staatsanwalt in seinem Schlussplädoyer fest. "Dass es (die Anmeldungen, Anm.) gesetzeswidrig war, das wurde gewusst", so Koch, der einen Schuldspruch verlangte. Den Vorwurf einer politischen Motivation in dem Verfahren wies der Ankläger entschieden zurück. Der Staatsanwalt sei "nicht auf Beweisergebnisse eingegangen, weil es keine gibt", erklärte Verteidiger Dax und forderte einen Freispruch für seinen Mandanten.

Der Schöffensenat verurteilte nach mehr als eineinhalbstündiger Beratung den Amtsleiter zu 3.600 Euro unbedingter Geldstrafe und fünf Monaten bedingter Haft. Landtagspräsident Steier und eine Gemeindemitarbeiterin wurden "im Zweifel" freigesprochen. Der Amtsleiter erbat Bedenkzeit, der Staatsanwalt erklärte in seinem Fall Rechtsmittelverzicht. Bei Steier und der Gemeindebediensteten meldete er Nichtigkeitsbeschwerde an. Die Urteile sind somit nicht rechtskräftig.

Das Beweisverfahren habe beim Amtsleiter einen eindeutigen Schuldspruch ergeben, so die Richterin. Als mildernd wurden bei ihm der bisher ordentliche Lebenswandel, die lange Verfahrensdauer und das lange Zurückliegen der Tat berücksichtigt. Der genaue Sachverhalt des Gesprächs, das er mit dem Amtsleiter geführt habe, sei letztendlich "nicht mehr feststellbar", begründete die Vorsitzende den Freispruch für Steier. Bei der ebenfalls freigesprochenen Mitangeklagten sei "wissentlicher Befugnismissbrauch nicht nachweisbar." (APA, 19.6.2015)