Wien – Alles ist gleich und doch anders in der zweiten Staffel von "True Detective". Wieder sagen Bilder mehr als tausend Worte: Straßenschlangen aus der Vogelperspektive, rauchige Bars mit spindeldürren Sängerinnen, gemäldehaft erstarrte Antlitze von gebrochenen Ermittlern, Wangenflattern beim nächtlichen Hochgeschwindigkeitsmotorradfahren.

Wieder sitzt ein Cop an einem Verhörtisch und breitet seine Geschichte aus. Wieder ist sie voll Schmerz und Zorn und verwirrender Hinweise auf das große Ganze dahinter.

Aber damit hat es sich dann auch schon wieder mit den Ähnlichkeiten, und mehr soll an dieser Stelle auch nicht verglichen werden. 2014 war "True Detective" die gefeierte Serieninnovation.

Nic Pizzolatto verdichtete die Ingredienzien Mord, Mann und Louisiana zu einem sumpfigen Krimithriller mit stickiger Optik und punktgenauer Dialogführung. Matthew McConaughey und Woody Harrelson erledigten 2014 ihren Job gut, so gut wie selten zuvor im Fernsehen. Doch jetzt zu etwas ganz anderem.

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Um vier Personen kreist True Detective 2 – ab Sonntag auf HBO und in der Nacht auf Montag im Original auf Sky Go, Sky Online und Sky Anytime, ab 17. September im TV auf Sky Atlantic HD.

Ray Velcoro (Colin Farrell), Kommissar in der Industriehölle von Los Angeles, sorgt für Gerechtigkeit, in dem er den Vater des Buben verprügelt, der seinen Sohn gehänselt hat.

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Der Motorradpolizist Paul Woodrugh (Taylor Kitsch) regelt Verkehrssünden attraktiver Frauen auf seine Art, daheim hilft er sich mit Viagra und nächtlichem Frustmotorradfahren.

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Ani Bezzerides (Rachel McAdams) ist eine hervorragende Polizistin, hat aber Kummer mit der Familie. Mit Freunden tut sie sich schwer, außer, er ist hochprozentig und in Flaschen.

Und dann ist da noch Frank Semyon (Vince Vaughn), ein verletzlicher Pate, dessen Reich zu zerbröseln droht. Kalifornien kann sehr kalt sein.

Vier Charaktere, vier Welten – und alle schwanken. Diese zweite Staffel gefällt sich vor allem darin, Etabliertes zu hinterfragen, egal ob es sich um Rollenbilder, Identitäten, Zeitabläufe und Genreplätze handelt. Serienerfinder Nic Pizzolatto begibt sich wieder ins gut umgegrabene Feld der klassischen Polizeistorys und verfrachtet jene Bilder und Geschichten, die seit den 1930er-Jahren im Kino auftauchen ins Hier und Jetzt.

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Das heißt zunächst: viel Testosteron, schöne und gefährliche Frauen, doch Podeste sind nichts wert, und so werden die Herren der Schöpfung permanent von Thronen gestoßen. Selbsterkenntnis scheint zentrale Herausforderung eines Männer- und – soweit sichtbar – auch Frauenlebens zu sein. Das Leben ist ein Luder.

Vorerst laufen die Stränge parallel, um am Ende der ersten Episode zusammenzugehen. Eine ganze Folge nimmt sich "True Detective 2" Zeit, um Charaktere und Situationen für sich zu beschreiben. Erst der Tod bringt sie zusammen. Ein grausiger Mordfall wird diesbezüglich – soviel ist anzunehmen – keine Lösung bringen.

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Das ist Noir-Atmosphäre, Westernstyle, grundkühler Sountrack (Leonard Cohen), durchbrochen von New Age-Charme, der schon bei "Top of the Lake" für Aufhellung sorgte. Hier ist es ein männlicher Guru, der als ignoranter Seelenopa die falschen Werte vertritt. Auch nicht sehr lustig.

Wenn dieses Serienepos am Sonntag online geht, ist die Erwartungshaltung beträchtlich. Von Kritikern umjubelt, von Serienfreunden verehrt, dürfte vor allem innerhalb des Senders HBO einige Spannung liegen. Auf "True Detective 2" lastet Erfolgsdruck, denn im Ringen um den Serienmarkt muss der Qualitätssender aufpassen, dass ihm in der Konkurrenz mit Webportalen nicht die Felle davonschwimmen.

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Netflix, Amazon produzieren in Fließbandtempo. Abosenderfamilien wie die Time-Warner-Tochter HBO, Showtime und Starz verlieren in Übersee Kunden. Die Zuschauer wandern ins Netz.

Der Abosender, der das "Goldene Zeitalter des Fernsehens" einst mit Serien wie The Wire und Sopranos begründete, sieht sich im digitalen Zeitalter mit zunehmender Konkurrenz konfrontiert. Seit 2010 hat sich mobile Mediennutzung auf Tablets und Smartphones in den USA versechsfacht.

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Die Reaktion ist für Freunde des Seriellen erfreulich. Seit April können US-Abokunden HBO-Programm als Stream schauen. Dazu kommt viel Output: Ebenfalls Sonntag starten mit "Ballers" und "The Brink" (Tim Robbins) zwei weitere Qualitätsserien. Soll nichts Ärgeres passieren. (Doris Priesching, 20.6.2015)

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