Farbexplosion von Franz Grabmayr: "Tanzblatt" (2002).


Foto: Albertina

Wien – Der Anspruch, etwas bedeuten zu müssen, hat die Kunst lange gefangen gehalten: Die Malerei diente der naturalistischen Abbildung. Erst als ihr die Fotografie diese Aufgabe abnahm, fand sie verstärkt zur Selbstreflexion. Das Eigenleben von Farbe, Linie, Form, Fläche trat ins Bewusstsein.

Dass Malerei sogar ausschließlich "sie selbst" sein, außerhalb aller Sinn- und Bedeutungszusammenhänge bestehen könne, versprach etwa eine der abstrakten Strömungen, der Abstrakte Expressionismus. Er entwickelte sich in den USA Ende der 1940er-Jahre und wollte mit Ungegenständlichkeit vor allem eines sein: politisch unvereinnahmbar.

Dieser Befreiungsschlag fand freilich auch in Europa – und auch in Österreich – Resonanz. Sensibilisiert nicht zuletzt durch den Kunstmissbrauch im NS-Regime verschrieben sich Künstler auch hierzulande dem absolut individuellen Ausdruck. Einen Überblick über diese und nachfolgende Bewegungen gibt die Ausstellung Abstraktion in Österreich in der Albertina. Von den 1960er-Jahren bis heute spannt sich der Bogen, vertreten sind "Klassiker" wie Josef Mikl, Gunther Damisch oder Hubert Scheibl.

Elementare Kraft

Hier bekommt man es mit luftigen Kritzeleien Hans Staudachers zu tun, dort mit experimentellen Aquarellen Herbert Brandls, die das zufällige Verrinnen der Wasserfarbe festgehalten haben. Schon allein Grund genug, die Schau zu besuchen, sind die einem entgegendrängenden, erdschweren Bilder Franz Grabmayrs (1927- 2015), die sich in ihrer elementaren Kraft nicht mit zwei Dimensionen zufriedenzugeben scheinen.

Anlass der zu Teilen aus den Beständen der Albertina gespeisten Schau ist aber eine Schenkung. Regina Ploner, Witwe des 2011 verstorbenen Sammlers Heinz Ploner, entschied sich, die seit 1997 aufgebaute Sammlung ihres Mannes der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Neben der Albertina konnten auch das Belvedere und das Grazer Joanneum auswählen. Abstraktion in Österreich ist nicht zuletzt eine gelungene Würdigung dieses Geschenks; aus ihm stammen vor allem die kleinformatigen Arbeiten. Auf Vollständigkeit wird kein Anspruch erhoben, was aber keinesfalls ein Manko ist.

In fokussierten Werkzusammenstellungen erhält man einen schönen Überblick über Facetten österreichischer Abstraktion: Trifft man hier auf Arbeiten wie die Körperbilder Josef Mikls, die vom naturalistischen Abbild ausgehend die Abstraktion erkundeten, so begegnet man später Positionen wie jener Hubert Scheibls: Dessen flächige, ungegenständliche Kompositionen werfen die Frage auf, ob man sie Landschaften nennen dürfe. (Roman Gerold, 18.6.2015)