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Der Fall Fenninger wirft einige Fragen auf.

AP

Mark Orth ist Rechtsanwalt mit Schwerpunkt Kartellrecht in München sowie Lehrbeauftragter der deutschen Sporthochschule Köln und der Hochschule für Technik und Wirtschaft Chur. Zu seinen Mandanten zählen Sportverbände, Bundesliga-Fußballclubs und Einzelsportler, Gewerkschaften, Sportartikelhersteller und TV-Gesellschaften.

"Heiß umfehdet, wild umstritten", so ging es wohl zuletzt zwischen dem ÖSV und seiner derzeit erfolgreichsten Athletin zu. Wie es scheint, hat man sich nun auf das alte Habsburger-Motto "Kriege mögen andere führen, du, glückliches Österreich, heirate" besonnen und den Streit beigelegt.

Die Kernfrage, die sich in diesem Streit gezeigt hat, bleibt aber aktuell, nämlich jene nach der Freiheit des Sportlers versus die Macht des Sportverbandes.

Das Regelwerk des internationalen Skiverbands und die Lizenzerklärung des ÖSV, die von den Aktiven zu unterschreiben ist, sehen vor, dass etwa die Werbeflächen auf dem Kopf des Athleten "im Eigentum des Österreichischen Skiverbands" stehen und der Aktive keinen Rechtsanspruch auf die Nutzung hat. Zwar kann er einen Antrag auf Freigabe von Werbeflächen stellen, aber einen Rechtsanspruch hat er auch hier nicht. Klassische Werbung wie etwa Fernsehspots bedürfen ebenfalls der Genehmigung des Verbandes. Der Vertrag kommt dann nicht zwischen Athleten und Werbepartner zustande, sondern zwischen Werbepartner und ÖSV und ÖSV und Athleten.

Individuelle Berater von Athleten müssen beim ÖSV als offizielle Agenturen zugelassen sein. Allerdings trägt der ÖSV grundsätzlich auch die Kosten für Trainings- und Wettkampfeinsätze. Die Prämienkosten für die Unfallversicherung muss der Athlet aber laut Lizenzerklärung selber tragen.

Diese und ähnliche Regelungen haben auch in der Vergangenheit immer wieder zum Streit zwischen Athleten und ihren Verbänden geführt. Das Problem für die Athleten besteht aber darin, dass sie dem Druck ihres jeweiligen Nationalverbands nicht ausweichen können. Dieser kann die Athleten sperren und ihnen damit ihre berufliche Grundlage entziehen.

Die Möglichkeit, diesem Druck etwa durch Nationalitätenwechsel auszuweichen, haben die Athleten nicht, weil sie dafür die Zustimmung des abgebenden Verbands brauchen. So ist etwa die Marathonläuferin Teske zunächst vom Deutschen Leichtathletikverband (DLV) lebenslang gesperrt worden, als sie 1982 mit Schuhen von Nike den Boston-Marathon gewann, während der DLV einen Ausstattervertrag mit Adidas hatte.

Nicht schutzlos

Schutzlos stehen die Athleten in dieser Situation aber nicht da, sie können sich auf das Kartellrecht und vor allem auf das Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung berufen.

Durch das "Ein-Verband-Prinzip" haben die Sportverbände wie der ÖSV eine Monopolstellung gegenüber ihren Athleten, weil sie über die Startrechte entscheiden, wie wiederholt vom Europäischen Gerichtshof festgestellt wurde. Nun müssen aber noch das jeweilige Verhalten des Verbands oder sein Regelwerk missbräuchlich sein.

In der Causa der Läuferin hatte der DLV die Disqualifizierung ersatzlos gestrichen, nachdem die europäische Kommission sich mit dem Fall beschäftigt hatte und auf die Höhe eines möglichen Bußgeldes hingewiesen hatte.

Eine deutsche Eisläuferin streitet sich vor deutschen Gerichten mit ihrem Verband darüber, ob eine Schiedsklausel des Verbands, die den Weg zu den ordentlichen Gerichten ausschließt, ein solcher Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung ist. Das OLG München bejahte einen Missbrauch. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.

Schaut man sich das Regelwerk des ÖSV an, so fällt auf, dass die Athleten zwar eine Freistellung für Werbung etwa auf dem Kopf beantragen können – einen Rechtsanspruch haben sie aber gerade nicht. Das ist missbräuchlich, weil die Athleten hier der Willkür des Verbands unterworfen werden. Das heißt ja nicht, dass der Verband zwingend seine Machtposition zum Nachteil des Athleten ausnutzt, aber er kann es eben. Bei seiner Entscheidung wird der Sportverband dann auch nicht nur durch hehre sportliche Ziele beeinflusst, sondern es kann auch sein, dass seine eigenen wirtschaftlichen Interessen eine Rolle spielen. Schließlich tritt er selbst als Anbieter von Werbeleistungen in diesem Markt auf und ist damit auch im Wettbewerb mit dem Athleten, der eine Freigabe von Werbeflächen erbittet.

Klare Situation

Die rechtliche Situation mag einigermaßen klar zugunsten der Athleten und gegen das Verbandsstatut sprechen, allerdings fehlt es an Entscheidungen von Gerichten und Kartellbehörde, die diese und ähnliche Missbräuche marktbeherrschender Stellung durch Sportverbände auch klar benennen. Selbst wenn mutige Athleten oder ihre Sponsoren und Ausrüster mal Verfahren bei Kartellbehörden und Gerichten anhängig machen, kommt es selten zu Entscheidungen, weil sich die Parteien meist vor einer Entscheidung einigen. Die Machtposition der Verbände ändert sich dadurch aber nicht. Es ist höchste Zeit dafür, dass mutige und verantwortungsbewusste Athleten diese Fragen einer gerichtlichen und kartellbehördlichen Klärung zuführen. Sie dienen damit nicht nur sich selbst, sondern auch nachfolgenden Sportlern. Die besten Sportler werden im Wettbewerb gefunden, bei der Organisation des Sports soll dieses Wettbewerbs aber nicht gelten? Das Kartellrecht sieht das anders.

Mutig in die neuen Zeiten, Heimat großer Töchter! (Mark Orth, 18.6.2015)