Wien – "Jeder Bezirk hat sein Zentrum. In Hernals ist das der Sportclubplatz", sagt Pensionist Hans-Jürgen N. über das Stadion des Wiener Sportklub. "Fast jede Familie in diesem Bezirk hat eine Verbindung zum Platz und zur Mannschaft." Er selbst hat auch einen Bezug: "Mein Vater hat in den 1920ern beim Verein gespielt." Früher ging er mit ins Stadion, heute schaut er keine Spiele mehr an.

derstandard.at/von usslar

Eine "Grätzelmanagementzentrale" sollte eigentlich im Stadion stehen, sagt Matthias Kandler, Vizepräsident des Sportklub: "Es ist eine Anlaufstelle. Die Menschen verbringen ihre Freizeit hier und starten eigene soziale Initiativen."

Tribünen mit Geschichte

Im Stadtteil Dornbach im 17. Bezirk liegt das 1904 errichtete Stadion – der älteste noch bespielte Fußballplatz in Österreich. "Vieles ist auf diesen Tribünen passiert. Da steckt Geschichte drin", sagt Kandler. Das Alter sieht man dem Gebäude mittlerweile auch an: Einzelne Tribünen mussten kurzzeitig gesperrt werden, weil das Unkraut nach oben gewuchert ist. Der sogenannten Friedhofstribüne, die nur durch eine Straße vom Hernalser Friedhof getrennt liegt, fehlt das Dach. Im ältesten Zuschauerbereich sitzt man auf Holzbänken. Der braungefleckte Rasen wellt sich.

Foto: Maria von Usslar

Auch hinter den Kulissen verkommt das Haus immer mehr: Die Kabinen schimmeln, die Kleiderhaken sind zum Großteil abgefallen, die Duschen erinnern an die 1980er-Jahre. "Es sieht aus wie eine Ruine", findet N.

Aufmerksamkeit durch Freundschaftsspiel

Am 12. Juli kommt trotzdem Leben in die Ruine: Das Freundschaftsspiel gegen den Champions-League-Klub Paris Saint-Germain ist mit rund 7400 Besuchern ausverkauft. Ein paar Tage davor, am 8. Juli, dürften ähnlich viele Fans zur Testpartie gegen Valencia kommen. Beim Sportklub hofft man, auf die Stadionmisere aufmerksam machen zu können.

Handtuchhaken sind nicht für alle da.
Foto: Maria von Usslar

Der Verein hat ein Gutachten erstellen lassen, laut dem eine Sanierung ohne neues Dach sinnlos ist. "Wir müssen eine Lösung finden. Das Problem ist nicht mehr mit Fugenkleister und Beton behebbar", sagt Kandler. Aber eben auch weil es heruntergekommen ist, habe das Stadion einen "Kultstatus", sagt Sophie L.

Die Journalismus-Studentin lebt in einer Wohngemeinschaft nahe dem Fußballfeld. "Einige Leute, denen ich sage, dass ich hier wohne, kennen nur den Sportplatz." Gleichaltrige sieht Sophie L. in Dornbach wenige: Die Bevölkerung kommt mir etwas älter vor." 55.628 Menschen lebten mit Stichtag 1. Jänner 2015 in Hernals, von denen 19.652 unter 30 Jahre alt sind.

Der Sportplatz in Hernals wird renoviert.

Verhandlungen mit der Stadt über eine Renovierung laufen seit Jahren. Eine Lösung soll es bald geben: "Von meiner Seite aus kann das Konzept als fertig betrachtet werden", sagt Sportklub-Präsident Manfred Tromayer. Die zuständige Magistratsabteilung MA 51 habe das letztgültige Konzept "wohlwollend" aufgenommen und werde "weitere notwendige Schritte" setzen.

Friedlich wie eine Familie

Das Besondere an dem Platz sei, dass darauf "ausschließlich positiv und friedlich gefeiert wird", sagt Kandler. Es habe nie "Randale" gegeben. Die Fans seien offen und treten gegen Diskriminierung auf. Favour O. ist fast jeden Tag am Rasen: "Ich mag es hier, die Leute sind sehr nett und nicht rassistisch." Die anderen Fans und Mitarbeiter seien wie eine Familie für sie: "Ich habe hier sonst keine richtige Familie." (Oona Kroisleitner, Maria von Usslar, 19.6.2015)