Wien – Der Streit zwischen der Stadt Wien und den Ärzten der Gemeindespitäler sollte diesmal nicht im Vordergrund stehen. Und doch spielte er mit. Denn am Freitag beginnt die Abstimmung über die Streikbereitschaft der Wiener Ärzte.

Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) will einen anderen Schwerpunkt setzen. Bis 2025 sollen die Wienerinnen und Wiener eineinhalb Jahre länger gesund leben, dazu hat die Stadt neun Gesundheitsziele definiert. Diese seien erreichbar, "aber mit Anstrengung", sagt Wehsely.

Weniger Kaiserschnitte, mehr Bewegung

An drei Bereiche sind die Ziele und Maßnahmen angepasst:

  • Schwangere, Kinder und Jugendliche,
  • Arbeitswelt und
  • alte Menschen.

Bei Schwangerschaften gilt es, die Kaiserschnittrate von 30 auf 25 Prozent zu senken, bei Kindern sollen mehr als die Hälfte der Sechsjährigen kariesfrei werden, zudem sollen Kinder und Jugendliche sich mehr bewegen. Auch gesunde Ernährung steht auf dem Programm, beispielsweise soll es an Schulen weniger Softdrinks und mehr Wasser geben. Auch psychosoziale Gesundheit ist ein wichtiger Punkt, für alle drei Altersgruppen.

Kritik von der Opposition

Zu den Zielen gehört auch, die integrierte Versorgung auszubauen. Gemeint sind sogenannte Primary-Health-Care-Zentren, die die Spitalsambulanzen entlasten sollen.

Als zu "schwammig" kritisiert Beate Meinl-Reisinger, Wiener Spitzenkandidatin der Neos, die Gesundheitsziele. Sie gehen an den Ängsten und Sorgen der Bevölkerung vorbei. Im Standard-Gespräch vermutet sie, dass die Stadt Wien eher in "teure Kampagnen" investieren werde, als Reformen durchzubringen. Wien stehe "finanziell mit dem Rücken zur Wand", auch beim Thema Ärztearbeitszeit habe sie jahrelang versäumt zu handeln.

Die FPÖ sieht das ähnlich, die Gesundheitsziele seien "nett aber unrealistisch", und fordert in einer Aussendung, die Gesundheitsversorgung besser abzusichern.

Keine Verhandlungen vor Ärzteabstimmung

Wehsely betont, mit allen 133 beteiligten Experten sehr gut zusammengearbeitet zu haben. Auch mit den Ärzten. Die "kurzen Irritationen" wegen der Umsetzung der neuen Ärztearbeitszeit in den Gemeindespitälern hätten keine Rolle gespielt.

Diese erreichen am Freitag ihren Höhepunkt, wenn die Abstimmung über die Streikbereitschaft in den Gemeindespitälern beginnt, das Ergebnis soll am kommenden Donnerstag vorliegen. Derzeit finden laut Wehsely keine Gespräche mit der Ärztekammer statt, einmal mehr verweist sie auf die Unverlässlichkeit der Wiener Kammer als Gesprächspartner. Schon in der Vergangenheit hat sie interne Streitereien für die ablehnende Haltung der Standesvertretung verantwortlich gemacht.

Konflikt in Kammer

Damit dürfte sie nicht ganz unrecht haben. Zwar ist die Ärztekammer in Streiklaune und liebäugelt auch für die niedergelassenen Ärzte mit Arbeitsniederlegung, sollte das von der Regierung geplante "Mystery Shopping" durchgebracht werden. Dabei sollen Testpatienten Ordinationen aufsuchen und die Krankschreibungspraxis der Ärzte kontrollieren.

Aber der Konflikt in der Kammer endete mit der Absetzung von Eva Raunig, Stellvertreterin von Präsidenten Thomas Szekeres. Die Allgemeinmedizinerin hatte sich vehement gegen die Primärversorgungszentren eingesetzt, das war für andere Ärztevertreter nicht mehr tragbar, berichtete die "Presse". Szekeres' Koalition steht auf wackligen Beinen, es ist ihm zwar gelungen, mehrere Fraktionen zu vereinen, für seine Wahl ist er aber auch mit Raunig den Deal eingegangen, sie zur Vizepräsidentin zu machen, und hat dafür die Statuten geändert. Jetzt wurde ihr Amt wieder abgeschafft, sie will rechtliche Schritte prüfen.

Ob die Ärzteschaft aber noch hinter Szekeres steht, wird sich mit der Streikabstimmung zeigen. (mte, 18.6.2015)