Es war ein gutes Jahr für Österreich. Wer mit dieser Behauptung ernst genommen werden will, kann derzeit nur ein Thema meinen: Fußball.

Es ist ein originelles Phänomen, dass sich im allgemeinen Lamento über Wirtschaftslage, Zukunftsaussichten und Inferiorität heimischer Politik ausgerechnet das Lieblingsraunzobjekt Nationalmannschaft in einen Quell des Trostes verwandelt hat. Die Entwicklung des Teams gibt Hoffnung, dass man Ideenlosigkeit, Beratungsresistenz und Unvermögen nicht als unveränderbare Schicksalskonstanten in unserem Land hinnehmen muss.

Aber auch sonst lieferte Fußball Grund für Optimismus. Dass die für allmächtig gehaltene Blatter-Bande im Korruptionsmoloch Fifa durch mutige Ermittler zumindest ins Wanken geraten kann, ist mehr, als man lange Zeit zu hoffen wagte. Und im ballestrischen Mikrokosmos Österreich half uns ein aufgedeckter Bestechungsskandal bei der Vergangenheitsbewältigung. Jörg Haiders ärmlicher Versuch, die SV Ried zu schmieren, zeigt uns im Nachhinein, dass wir bei der Zuschreibung von Attributen wie "raffiniert" oder "brillant" vielleicht doch etwas vorschnell waren.

Dieser Tage bietet fußballerisches Denken sogar Verständnishilfe für vermeintlich Unerklärliches. Dass es Bundespolitiker nicht wagen, Landeshauptleuten zu widersprechen, ist ein zentrales Problem dieser Republik und in Fällen wie Häupl und Pröll zumindest psychologisch noch irgendwie nachvollziehbar. Sich vor Leuten wie Hans Niessl zu fürchten kommt aber einem politischen Offenbarungseid gleich. Wenn in diesem Zusammenhang dann ernsthaft von einer "Niessl-Doktrin" die Rede ist, sollte eine Frage dringend geklärt werden: Worum geht es dem burgenländischen Landeshauptmann wirklich?

Die Antwort liefert ein Schreiben des ehemaligen Begas-Vorstandes Rudolf Simandl – gegen den mittlerweile wegen zahlreicher Korruptionsdelikte ermittelt wird – vom Juli 2005, in dem er Niessl über Postenbesetzungen beim burgenländischen Erdgasversorger informiert. Darin wird – unter Angabe lokaler Politiker als verlässlicher Gewährspersonen – penibel aufgelistet, welcher Partei die neu angestellten Monteure und Techniker zuzuordnen seien: "Es ist uns gelungen, bei diesen Besetzungen ein Verhältnis von 8 (SPÖ) zu 1 (ÖVP) zu erzielen, worüber ich mich sehr freue und dir gerne davon berichte."

8:1! Welch Ergebnis für den Exkicker und -trainer Niessl, dem es schon zu seiner aktiven Zeit mehr um Härte und Ergebnisorientiertheit als um schönes Spiel gegangen sein soll. Ein Traumresultat, das nach der Landtagswahl in Gefahr zu geraten drohte. Eine mit dem Absprung zur FPÖ drohende ÖVP hätte durchaus frech auf ein 7:2 oder gar 6:3 drängen können. Da spielt man doch fortan lieber mit den mit vermittelbarem Personal schwach bestückten Freiheitlichen.

Und darf sogar von mehr träumen. So wie einst Hans Krankl beim 9:0 über Malta einen Torrekord aufgestellt hat, könnte auch Niessl in zukünftigen Postenschacher-Matches mit Duldung durch die FPÖ dieses Ergebnis schaffen. Bei den Blauen ist man ja vielleicht mit Karrierehilfe für Heizungstechniker seit den Abgängen von Rumpold und Meischberger vorsichtiger geworden. (Florian Scheuba, 17.6.2015)