Bild nicht mehr verfügbar.

Die Lehman-Pleite am 15. September 2008 riss die Finanzmärkte und die Weltwirtschaft in den Abgrund.

Foto: Reuters/Lott

Ein Scheitern der Verhandlungen mit Griechenland würde die gesamte Weltwirtschaft in einen Strudel reißen, warnte Fed-Chefin Janet Yellen am Dienstagabend. Das Szenario, das sie und andere im Falle eines immer näher rückenden Grexit heraufbeschwören, ist jenes der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers im September 2008.

Auch damals wurde zuerst hektisch eine Rettung einer überschuldeten Institution gesucht, doch dann bewusst deren Kollaps in Kauf genommen, weil sich auch mit deren unverantwortlicher Führung keine Lösung finden ließ. Viele in Washington und New York dachten damals, eine Lehman-Pleite sei der bessere Weg als ein weiterer "Bail-out" auf Kosten der Steuerzahler.

Lehman-Pleite war ein riesiger Fehler

Das war ein gravierender Fehler. Lehman riss die Finanzmärkte und die Weltwirtschaft in den Abgrund. Ein solcher Irrtum, das ist klar, darf sich in der Griechenland-Krise nicht wiederholen. Aber stimmen die Parallelen?

Das Argument, dass Griechenland nur einen geringen Anteil an der Wirtschaft der Eurozone hat und international gar keine Rolle spielt, ist nicht entscheidend. Auch Lehman war nicht besonders groß.

Mit allen anderen verwoben

Es gab zwei Gründe dafür, dass die Lehman-Pleite dennoch so massive Folgen hatte: Lehman war eng mit allen großen Finanzinstituten der Welt verwoben – "too interconnected to fail". Jeder hatte jedem Geld geborgt, jeder musste mit Verlusten rechnen. Niemand wusste genau, wie viel.

Und während es für die USA einen Ablauf- und Abwicklungsplan für die Insolvenz gab, fehlte der in Europa, wo besonders viele Lehman-Papiere im Umlauf waren. Es waren weniger die Verluste als die riesige Unsicherheit der Tage nach dem 15. September 2008, die alle Märkte abstürzen ließ und die Weltwirtschaft mit sich riss.

Kaum private Gläubiger

Es ist dieses Bild, mit dem die Regierung von Alexis Tsipras auch die Europartner zum Einlenken drängt: Wenn ihr auf euren Forderungen beharrt, dann zahlt ihr einen ebenso hohen Preis wie wir, lautet die implizite oder gar explizite Botschaft.

Aber die Lage in Griechenland ist heute anders. Es gibt kaum noch private Gläubiger. Die griechischen Anleihen gehören fast ausschließlich dem Eurorettungsfonds EFSF, der Europäischen Zentralbank (EZB) und dem Internationalen Währungsfonds (IWF). Die wissen genau, wie viel sie verlieren werden; die Märkte wären nicht direkt betroffen.

Daneben existiert die Sorge, dass eine griechische Staatspleite und ein Austritt aus der Eurozone die Spekulation gegen andere Eurostaaten anheizen würden. Das wäre im Sommer 2012 erwartbar gewesen, als Irland und Portugal noch unter dem Rettungsschirm standen und Italien und Spanien als gefährdet galten.

Italien und Spanien sind stabil

Doch das ist heute anders. Die Renditen von italienischen und spanischen Staatsanleihen sind stabil, und die EZB steht im Notfall für Ankäufe bereit. Schließlich hat der Europäische Gerichtshof diese Woche dafür grünes Licht gegeben.

Anders als 2012 ist Griechenland heute ein Sonderfall in der Eurozone. Niemand wird aus der Weigerung der linkspopulistischen Syriza-Regierung, sich den Vorgaben der Europartner zu beugen, Schlüsse über die ganz anders regierten Länder wie Italien, Spanien und Portugal ziehen – von Irland ganz zu schweigen.

Und die Sorge, dass Syrizas Politik bei Wählern in Spanien Schule machen könnte, dürfte sich mit einem Grexit von selbst erledigen.

Chaos in Griechenland, Verluste für andere

Das heißt nicht, dass ein Grexit folgenlos wäre. Griechenland steuert dann in ein echtes Chaos, mit schlimmen Folgen für Wirtschaft und Menschen. Die anderen Euroländer und die EZB müssten hunderte Milliarden an Krediten abschreiben. Die Börsen würden fallen, und ebenso der Eurokurs.

Deshalb ist eine politische Einigung mit der Athener Regierung einem totalen Bruch vorziehen. Aber wenn das nicht gelingt, dann ist die Weltwirtschaft für die Folgen eines Grexit ganz gut gerüstet. (Eric Frey, 18.6.2015)