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Foto: AP/Esteban Felix

Wien – Die Piktogramme zweier Frauen leuchten rot. Sie halten einander an den Händen, zwischen ihnen ein Herz: Bei diesem Bild wartet man an einzelnen Ampeln seit kurzem in Wien. In der Realität ist Händchenhalten für zwei Personen gleichen Geschlechts oft nicht so einfach, wie die von der Stadtregierung am Mittwoch veröffentlichte Studie "Queer in Wien zeigt". 3.161 Personen wurden dafür zu Sexualität und Diskriminierung in Wien befragt.

Rund 28 Prozent der Studienteilnehmer gaben an, dass sie in den vergangenen zwölf Monaten Diskriminierungs- und Gewalterfahrungen auf offener Straße in Wien gemacht haben. Auf Platz zwei der Orte, an denen sich die teilnehmenden Lesben, Schwule, Transgender- oder Intersex-Personen (LGBTI) Übergriffen ausgesetzt fühlten, landeten die öffentlichen Verkehrsmittel. Vor allem verbale Übergriffe würden sie aber zumeist ignorieren. Selten kommt es zu Anzeigen oder zum Aufsuchen einer Beratungsstelle.

Regenbogen-Bim

Die U-Bahn sei der "sicherste Ort im öffentlichen Raum", entgegnet Wiener-Linien-Sprecher Answer Lang. Es sei überall hell, man sei immer unter anderen Menschen, es werde videoüberwacht, und es gebe Sicherheitseinrichtungen. "Diese sollte man auch unbedingt benutzen, wenn es eine heikle Situation gibt. Unsere Fahrer können dann entweder einschreiten oder über unsere Leitstelle rasch die Polizei verständigen", sagt Lang. Ansonsten würden die Wiener Linien "stark auf Bewusstseinsbildung und gegenseitige Rücksichtnahme" setzen – gerade dann, wenn es Diskriminierung betrifft. "Sichtbare Schritte" wollen sie zusätzlich durch spezielle Straßenbahnen für den Life Ball und bei der Regenbogenparade setzen.

Frauenberger will "Klimawandel" in Wien

"Wir brauchen einen Klimawandel", sagt Wiens Frauen- und Gleichstellungsstadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ). "In den Öffis, am Arbeitsplatz und auf der Uni dürfen Homo- und Transphobie nicht mehr zum Umgangston gehören." Frauenberger fordert bei Übergriffen mehr Zivilcourage: "Wer beobachtet, wie ein lesbisches Pärchen angegriffen wird, weil es Händchen hält, sollte sich zu Wort melden."

Diskriminierung passiert in Wien der Studie zufolge vor vor allem verbal. 79 Prozent der Studienteilnehmer gaben an, dass sie im vergangenen Jahr mindestens einmal beschimpft wurden; 74 Prozent, dass sie lächerlich gemacht wurden. Die Gewalt wird allerdings auch physisch ausgetragen. 25 Prozent wurden im vergangenen Jahr Opfer von sexualisierten Übergriffen oder Gewalt, 20 Prozent wurden körperlich attackiert. Die Gewalt geht dabei vor allem von männlichen Jugendlichen aus. Auf Platz zwei der Angreifer liegen extremistische Gruppen.

Wenige Outings bei Personen in Ausbildung

Von den LGBTI-Personen in Ausbildung gaben 30 Prozent an, an der Ausbildungsstätte und in der Schule geoutet zu sein. 69 Prozent hingegen haben sich nur zum Teil oder gar nicht vor ihren Schulkollegen oder Lehrenden geoutet. 15 Prozent gaben zudem an, im vergangenen Jahr gemobbt oder benachteiligt worden zu sein. Die häufigste Form, wie Diskriminierung wahrgenommen wird, ist das Klima in der Ausbildungsstätte. Oft wird die sexuelle oder geschlechtliche Identität durch beiläufige Andeutungen oder Witze schlechtgemacht.

Im weiteren Berufsleben sieht es ähnlich aus. "Viele befürchten negative Konsequenzen für ihre Karriere", sagt Frauenberger. Außerdem müssten Personen befürchten, dass sie aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität schlechter behandelt werden. "Die Angst vor Diskriminierung ist dabei leider nicht unberechtigt", so Frauenberger. 14 Prozent der Befragten haben im vergangenen Jahr Übergriffe am Arbeitsplatz erlebt. Knapp die Hälfte der Studienteilnehmer (48 Prozent) ist am Arbeitsplatz vollständig geoutet.

Verlust von Ansprüchen im Beruf

Nur acht Prozent haben all ihren Kollegen von ihrer sexuellen Orientierung erzählt, zehn Prozent allen Vorgesetzten. Wobei Hierarchien laut Studie das Coming-out erschweren. "Fast die Hälfte ist am Arbeitsplatz nicht geoutet. Das bedeutet nicht nur, beim Frühstückskaffee verheimlichen zu müssen, mit wem man am verlängerten Wochenende auf Thermenurlaub war", sagt Frauenberger. Durch das fehlende Outing würden auch Ansprüche etwa auf Pflegefreistellung verlorengehen.

Auch die Zufriedenheit mit dem Leben in Wien wurde abgefragt. Großer Kritikpunkt: die eingetragene Partnerschaft. "Die Unzufriedenheit zeigt deutlich, dass lesbische und schwule Paare nicht länger in die Ehe zweiter Klasse eingeteilt werden wollen", sagt Frauenberger. Gleichgeschlechtliche Paare sollten deshalb das gleiche Recht auf die Ehe bekommen: "Ohne Sonderbehandlungen wie die Kategorie Nachname statt Familienname – und am Standesamt." (Oona Kroisleitner, 17.6.2015)