Wien – Ja, er habe noch vieles vor, und nein, ins operative Geschäft zurückkehren, sprich: ein Unternehmen leiten, werde er nicht mehr, auch die Telekom Austria nicht. Gerhard Roiss (63), der Ende Juni nach 17 Jahren im Vorstand der OMV, davon die letzten fünf als Konzernchef, Österreichs größtes Unternehmen verlässt, macht sich Sorgen, wie es mit der Energieversorgung weitergeht.

"Das Problem, das Europa derzeit mit Griechenland hat, ist klein im Vergleich zur Ukraine", sagte Roiss am Dienstag im Klub der Wirtschaftspublizisten. Ein Großteil der für Europa bestimmten russischen Gaslieferungen gehen durch die Ukraine. "Wenn es ein 'frozen conflict' bliebe, wäre es schon gut", deutete Roiss die Möglichkeit einer Eskalation der Kriegshandlungen zwischen Russland und der Ukraine an – mit gravierenden Folgen für das energieabhängige Europa.

Alternative Routen

Trotz derzeitigen Überangebots an Gas sei es klug, alternative Versorgungsrouten zu fixieren. "Europa braucht ausreichend Gasautobahnen", sagte Roiss. "Irgendwann", so die Hoffnung des wegen eines nicht mehr kittbaren Zerwürfnisses mit Teilen des Aufsichtsrats und des Konsortialpartners Ipic vorzeitig ausscheidenden OMV-Chefs, "wird Europa zur Vernunft kommen und zumindest eine Teillösung realisieren." Ob die dann Nabucco heiße oder anders, sei zweitrangig.

Die Nichtrealisierung der Nabucco-Pipeline war eine der Niederlagen, die Roiss als OMV-Manager einstecken musste. Danebengegangen sind unter anderem auch der angepeilte Kauf der ungarischen Mol, der geplante Merger mit Verbund samt breitflächigem Einstieg in die Stromproduktion sowie Fracking im Weinviertel, das von der Politik abgedreht wurde.

Petrom saniert

Auf der Habenseite sieht Roiss die nachhaltige Sanierung der Tochter Borealis, insbesondere aber den Kauf und die anschließende Sanierung der rumänischen Petrom. Seinem Nachfolger als OMV-Chef, dem von der deutschen Wintershall kommenden Rainer Seele, möchte Roiss nichts mit auf den Weg geben. Das habe sein Vorgänger Wolfgang Ruttenstorfer bei ihm auch nicht gemacht.

Im April hat Roiss ein Verwaltungsratsmandat beim Schweizer Unternehmen Sulzer übernommen, weitere Angebote lägen vor. Einen Marathon möchte er noch laufen, sagte Roiss, dessen persönliche Bestzeit "etwas unter vier Stunden" liegt. Als Aktionär bleibe er der OMV erhalten. (stro, 17.6.2015)