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Kanzler Werner Faymann und sein Vize Reinhold Mitterlehner wollen die Flüchtlingszelte mittelfristig wieder wegbekommen. Daher übernehmen sie jetzt die Asylquartier-Koordinierung.

foto: apa/gindl

Wien - Für manche Beobachter ist es eine teilweise Entmachtung von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), laut Regierungsspitze hingegen eine Bündelung der Bemühungen, Quartiere für immer mehr Flüchtlinge zu suchen. In der Unterbringungsfrage werde die Bundesregierung künftig eine Koordinierungsfunktion übernehmen, erklärten Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) am Dienstag.

Es gelte, die Flüchtlingszelte wegzubekommen und die Unterbringungsdebatte auf die Ebene der Bezirke herunterzubrechen, sagte Faymann. Angepeilt würden "menschenwürdige Lösungen", die "verkraftbar" seien und im Rahmen derer "das Asylrecht ernst genommen" werde.

Kein Ultimatum, sondern Stichtag

Das von Mikl-Leitner bis Freitag den Ländern gesetzte Ultimatum für die Unterbringungsquoten sei vielmehr als "Stichtag" zu verstehen, so Faymann. Die für diesen Tag angekündigte Öffnung von Quartieren in Kasernen sei "als Notmaßnahme nicht auszuschließen".

Konkret, so Faymann, soll es in naher Zukunft zwei Treffen geben: eines mit den Landeshauptleuten sowie eines mit Flüchtlingshilfsorganisationen. Bei der evangelischen Diakonie wurde diese Ankündigung positiv aufgenommen: "Anders kommen wir nicht weiter, denn die Quartiersuche ist eine gesamtstaatliche Aufgabe", sagte Christoph Riedl, Leiter des Diakonie-Flüchtlingsdienstes.

Diakonie: Strukturänderungen nötig

Bisher, so Riedl, hätten sich die allwöchentlichen Krisengespräche im Innenministerium "darin erschöpft, bis zum nächsten Wochenende eine Linderung der akuten Quartiernot zu erwirken". Nun müsse es, neben intensiver Suche nach Wohnplätzen, auch strukturelle Änderungen geben.

Die Flüchtlings-NGOs haben diesbezüglich sechs Forderungen aufgestellt: so die sofortige Erhöhung der Tagsätze für die Flüchtlingsunterbringung und Integrationsmaßnahmen für anerkannte Flüchtlinge, etwa aus Syrien.

Misstrauensantrag der Grünen

Mit einem Misstrauensantrag gegen Mikl-Leitner wollen am Mittwoch die Grünen im Nationalrat auf deren ihrer Ansicht nach verfehlte Politik hinweisen. Mikl-Leitner sei "offenbar völlig überfordert" und setze fragwürdige Maßnahmen, sagte Menschenrechtssprecherin Alev Korun.

So sei eine Durchführungsverordnung, die Mikl-Leitner am 29. Mai in Kraft gesetzt hat, bereits eine Woche später vom Bundesverwaltungsgericht gekippt worden. Das Bestreben, Flüchtlinge, für deren Verfahren laut Dublin-Verordnung ein anderer EU-Staat zuständig sein könnte, in weit mehr Fällen als bisher in Schubhaft zu setzen, habe "in einem Fiasko geendet".

"Keine Rechtsgrundlage"

Dem Standard liegt ein solches Erkenntnis vor. Besagte Durchführungsverordnung sei eine "nicht hinreichende Rechtsgrundlage zur Anordnung der Schubhaft", heißt es darin. Nur ein Gesetz könne dafür eine Basis sein. Doch auf Inkrafttreten der Asylnovelle am 20. Juli, die einen ähnlichen Passus enthält, wartete die Ministerin nicht.

Da Schubhaft bei Asylwerbern, die der Dublin-Verordnung unterliegen - und die laut Mikl-Leitners Anordnung nun prioritär zu behandeln sind -, in den meisten Fällen wieder als rechtswidrig gilt, werden Betroffene vielfach per Festnahmeauftrag inhaftiert; ein solcher gilt bis zu 72 Stunden.

Rückschiebung droht

Am Samstag wurde Leila P., eine junge Frau aus Afghanistan, auf diese Art festgesetzt. Mittwochfrüh soll ihr Flieger nach Bulgarien gehen. Dort soll sie bereits vor ihrer Weiterflucht misshandelt worden sein. P.s Anwalt Franz Karl Juraczka spricht von Rechtsbruch: "Die Frist für eine Dublin-Rückschiebung ist in diesem Fall schon vor einem halben Jahr abgelaufen". (Irene Brickner, 16.6.2015)