Wien – Bilder von Gesteinigten und abgeschlagenen Köpfen sieht man im Wiener Straflandesgericht selten. Dank Staatsanwältin Stefanie Schön ist das am Montag im Terrorprozess gegen zehn Angeklagte anders: Bei ihrem Schlussplädoyer projiziert sie solche Fotos, die auf den Mobiltelefonen einiger Angeklagter gefunden wurden, auf eine Leinwand im Großen Schwurgerichtssaal.

Für die Anklägerin sind diese Dokumente eines von zahlreichen Indizien, dass die neun Männer und eine Frau, die vor dem Schöffensenat unter Vorsitz von Andreas Hautz sitzen, Unterstützer der Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) sind.

Alle wurden im vergangenen August festgenommen, als sie in zwei Gruppen über Ungarn beziehungsweise Italien ausreisen wollten. Nach Syrien, sagt Schön. Nicht einmal unbedingt, um zu kämpfen, gesteht sie zu. "Aber sie hätten den IS auch durch Arbeit und Logistik unterstützt", ist sie überzeugt.

Nicht nur an der Front

Aus ihrer Sicht reicht das bereits für eine Verurteilung: Selbst wenn man nicht an der Front steht, werden ja Menschen benötigt, die im Hinterland den Staat am Laufen halten.

Dass alle Angeklagten das im Sinn hatten, sieht sie auch durch andere Indizien belegt: Chat-Protokolle, in denen es um "Training" und "Mujahedin" geht oder darum, wer mehr Ungläubige "meier" machen – also töten – kann. Ungewöhnlich hohe Bargeldbeträge, die manche bei sich hatten, machen Schön ebenso stutzig.

An die von der Mehrzahl der Angeklagten vorgebrachte Version, man habe nur auf Urlaub fahren wollen, glaubt sie nicht. Aus generalpräventiven Gründen fordert sie hohe Strafen: "Die Ablehnung unserer Grundwerte kann nicht toleriert werden."

Bewährungshilfe und Therapie

Nur einer der Angeklagten ist im Sinne der Anklage geständig; ein damals 17-Jähriger wäre mit Bewährungshilfe und der Auflage zur Psychotherapie einverstanden, sollte er verurteilt werden.

Die meisten sehen sich dagegen unschuldig. Und ihre Verteidiger haben in ihren Schlussvorträgen nicht von der Hand zu weisende Argumente. Einerseits habe man jenen, die sagen, auf einer Reise in den Urlaub gewesen zu sein, nicht nachweisen können, dass das nicht so war.

Und zweitens: Selbst wenn der Senat an die Fahrt ins IS-Gebiet glaube, sei das noch nicht strafbar. Die von Schön präsentierten Bilder von Hinrichtungen seien zwar eine Schweinerei, wie es ein Verteidiger formuliert. Aber dennoch herrsche Meinungs- und Religionsfreiheit.

Nicht alle Bewohner Terroristen

Zehntausende Menschen würden derzeit in dem vom IS kontrollierten Gebiet in Syrien und dem Irak leben – die könnten nicht alle Terroristen sein, lautet ein Grundtenor der Verteidigungsstrategien. Wenn strenggläubige Muslime dorthin übersiedeln wollten, um sich eine Zukunft aufzubauen, könne das nicht illegal sein.

Verwiesen wird allseits auf eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs: Strafbar sei erst die konkrete Zusage an jemanden, der für den IS rekrutiert. Und die habe sich bei keinem der Angeklagten nachweisen lassen – auch wenn sie mit Bekannten in Syrien gechattet hätten.

Welcher Meinung sich das Gericht anschließt, wird man ab Dienstagmittag erfahren: Dann ist die Urteilsverkündung geplant. (Michael Möseneder, 15.6.2015)