Innsbruck – "Eine rigide Haltung ist gegenüber jeglicher Art von Plagiatspraktik nötig." Die Aufklärung soll "rasch und effektiv" erfolgen und öffentlich begründet werden. "Um die Glaubwürdigkeit der Universität darzustellen", müsse die "Publikation" der Untersuchungsergebnisse je nachdem vorrangig sein gegenüber der Abschirmung durch "Amtsverschwiegenheit, Datenschutz und Persönlichkeitsrechte" Betroffener. Diese Mahnungen stehen in einem aktuellen Bericht internationaler Experten über die Forschungspraxis der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Innsbruck.
Internationaler Evaluationsbericht
Eine derartige Überprüfung von Leistung und Fehlleistung steht laut Universitätsgesetz nach ein paar Jahren in allen Fachbereichen immer wieder an. In diesem Fall hatten das Rektorat und die Fakultät sechs externe Gutachter aus dem In- und Ausland bestellt, darunter die Wiener Professorin für Staats- und Verwaltungsrecht Gabriele Kucsko-Stadlmayer.
Anfang Juni kam der Abschlussbericht in Umlauf und sorgt seither für Aufruhr: Plagiatsfragen, also die dunkelste Seite der Forschung, hätten gar nicht zum Prüfauftrag der Gutachter gehört, heißt es in der Hochschulleitung; andererseits empören sich zahlreiche Innsbrucker Professoren, von solchen Täuschungsversuchen bislang nie etwas Konkretes erfahren zu haben.
Im Namen der Amtsverschwiegenheit
Im Namen der Amtsverschwiegenheit wickelt die Unispitze Plagiatsfälle offenbar ohne die Fakultäten ab. Hingegen fordern die externen Experten jetzt Aufklärung "unter Einbeziehung der zuständigen Organe der Fakultät". So hält es der Tübinger Gutachter Thomas Finkenauer im STANDARD-Gespräch für einen "entscheidenden strukturellen Mangel", dass eine fachfremde Unispitze anonyme Gutachter mit der Plagiatsprüfung beauftragt – "für eine juristische Dissertation womöglich einen Biologen oder, überspitzt formuliert, eine Hausfrau von nebenan". Demgegenüber entscheidet in Deutschland die jeweilige Fakultät ganz allein, ob der Doktortitel aberkannt wird oder nicht.
Forderung nach Transparenz
Öffentliche Transparenz verlangen die Berichterstatter "besonders in Fällen, die bereits nicht mehr als ,geheim’ zu betrachten sind." Damit spielt die Kommission auf die Innsbrucker Doktorarbeit eines deutschen Fachhochschulprofessors an, die seit mehr als zwei Jahren auf der Internetplattform Vroniplag kritisch beleuchtet wird. Als Gutachter Finkenauer den Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät damit konfrontierte, zeigte der sich völlig ahnungslos.
Auf STANDARD-Nachfrage pocht auch Rektor Tilmann Märk auf "Amtsverschwiegenheit und Datenschutz". In diesem Falle hat die Unileitung einen Widerruf des Doktortitels schon vor Monaten endgültig abgelehnt, ohne dies publik zu machen.
"Plagiator, promovier' in Österreich!"
Die Sache reiht sich ein in eine Serie ähnlich fragwürdiger Entscheidungen nicht zuletzt zugunsten deutscher Aspiranten. Angesichts mehrerer prominenter Plagiatsfälle in Deutschland, die von den Universitäten sehr rigide und transparent verhandelt wurden, heißt es in Deutschland mittlerweile sarkastisch: "Plagiator, promovier' in Österreich!" Heimlichkeiten fressen alle Glaubwürdigkeit auf. Aus dieser Erkenntnis heraus stellte etwa die Uni Bayreuth 2011 ihren Abschlussbericht über den Plagiator und früheren deutschen Minister Karl-Theodor zu Guttenberg sofort ins Netz.
Note rettet den erschlichenen Doktortitel
Aus deutscher Sicht ist der österreichische Doktortitel nicht zuletzt auch deshalb fragwürdig, weil die Note den Plagiator retten kann. Denn laut Gesetz und Verwaltungsgerichtshof ist der erschlichene Grad nur dann zu kassieren, wenn die Dissertation mit wahrheitsgemäßen Zitatnachweisen weniger originell und deshalb wahrscheinlich schlechter benotet worden wäre.
Nach deutscher Rechtsprechung ist eine kompensatorische Abwägung zwischen guten und bösen Teilen einer Examensschrift aber unmöglich. Schon deshalb sitzt ein Doktorhut aus Innsbruck fester als zum Beispiel einer aus Bayreuth – jedenfalls derzeit noch. (Hermann Horstkotte, 15.6.2015)