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Protest gegen die rot-blaue Regierung im Burgenland vergangenen Donnerstag in Eisenstadt.

Foto: APA/ROBERT JAEGER

Es ist das zweitbeliebteste Wort, das mit A beginnt, wenn es um die FPÖ geht: Ausgrenzung. Man könne die Freiheitlichen nicht länger ausgrenzen. Man könne deren Wählerinnen und Wähler nicht ausgrenzen. Die Ausgrenzungspolitik sei gescheitert. Es sei ein Fehler, die FPÖ auszugrenzen und damit der ÖVP in die Karten zu spielen.

Das Gerede von der Ausgrenzung ist in Mode. Ausgrenzung auf Bundesebene, auf Kommunal- und Landesebene sei das wiederum nicht notwendig. Nur manch kluger Kopf spricht von Abgrenzung.

Taktik und Strategie

Ja, die SPÖ nimmt sich selbst eine taktische Variante, wenn sie nicht bereit ist, mit Freiheitlichen zu koalieren, während die ÖVP damit kein Problem hat. Ja, die SPÖ hat dadurch schlechtere Karten im Poker um die Macht. Ja, eine SPÖ, die auf die Größe einer Mittelpartei geschrumpft ist, ist von der ÖVP mit der blauen Karte leicht zu erpressen. Alles richtig. Es geht hier um Taktik und Strategie.

Politische Parteien werden nicht als Taktier- und Strategievereine gegründet. Politische Parteien vereinen Menschen hinter sich, die ähnliche Überzeugungen und Wertvorstellungen haben. Ähnliches wollen.

Wo bleiben da die Werte?

Politische Parteien bauen also auf Werten auf. Bei der SPÖ sind das unter anderem Gleichheit, Solidarität, Gerechtigkeit und der Antifaschismus.

Opfert man nun Werte wie Gleichheit, Solidarität und Gerechtigkeit in einer Koalition mit der ÖVP? Ja, tut man. Denn SPÖ- und ÖVP-geführte Regierungen haben das Land nachweislich ungleicher, unsolidarischer, ungerechter gemacht. Die Schere zwischen Arm und Reich geht weiter auseinander, die Verteilung von Vermögen ist in einer extremen Schieflage, von gleichen Chancen etwa im Bildungsbereich kann man nur träumen. Und zur Solidarität reicht ein Blick auf die Fremden- und Asylpolitik oder auf das Versagen in der Armutsbekämpfung. Zur Gleichheit kommt, dass Frauen nach wie vor erheblich benachteiligt sind, Minderheiten wie Homosexuellen noch immer Gleichheit, ja sogar fundamentale Menschenrechte vorenthalten werden. Die SPÖ hat also bereits in der Vergangenheit ihre Werte auf dem Altar der Macht geopfert.

Warum also auch nicht den Antifaschismus? Vielleicht gibt es ja mit der FPÖ dafür mehr Gleichheit, mehr Solidarität, mehr Gerechtigkeit? Unsinn.

Rote Linien

Es gibt rote Linien. Rote Linien, die niemals überschritten werden dürfen, will man sich selbst noch in den Spiegel schauen. Ja, die SPÖ hat viele dieser roten Linien bereits überschritten; ein Bollwerk gegen den Faschismus und Rassismus war sie, einmal Löschnak, Darabos und Schlögl vergessen, aber doch.

Rot-Blau im Burgenland war ein Tabubruch. Ein historischer Fehler. Man habe die Büchse der Pandora geöffnet, konstatiert so mancher politischer Beobachter.

Keine Gemeinsamkeiten

Mit der FPÖ tue man sich etwa in der Sozialpolitik leichter als mit der ÖVP, meinen manche Genossen. Dies gehört zu den inhaltlich schwachsinnigsten Verteidigungsargumenten überhaupt. Genauso wie das Gerede, dass die FPÖ eine Arbeitnehmerpartei wie die SPÖ sei und eine Koalition so etwas wie das gemeinsame Vorgehen gegen das Kapital sei. Die FPÖ hat mit der SPÖ oft nur eines gemeinsam, nämlich, dass man, wenn es um sinnloses Geldausgeben geht, über ähnliche Zugänge verfügt. Das war's aber schon.

Die SPÖ ist international orientiert, die FPÖ nationalistisch, dass einem schlecht wird. Sozialdemokraten und die Vorgänger der FPÖ saßen beide in den Lagern der Nazis; nur auf unterschiedlichen Seiten des Zaunes. Wobei das pauschal so gar nicht stimmt. Nach 1945 beziehungsweise 1955 war die SPÖ Hauptauffanglager für die Altnazis, hat aber spätestens unter Vranitzky begonnen, die Vergangenheit glaubwürdig aufzuarbeiten.

"Asylflut", "Höhlenmenschen", "Griechenschlampe", "Linkslinke Dreckschweine", "Sollen sie doch im Mittelmeer ersaufen", "Mohammed ein Kinderschänder" – alles Aussagen von FPÖlern oder FPÖ-Sympathisanten. Die Seite eaudestrache.at listet hunderte Verbalverbrechen auf.

FPÖ spaltet Gesellschaft

In den Reihen der FPÖ gibt es sie: die Kellernazis. Die FPÖ lebt von der ständigen Hetze gegen Minderheiten. Sie tritt nicht nach oben, sie tritt nach unten. Unklares Verhältnis zur NS-Zeit ist das Mindeste, was man der FPÖ vorhalten muss. Heute unterstützen sie zum Beispiel die Identitären, die vor dem "großen (Volks)-Austausch" warnen. Das erinnert an die Umvolkungssager von Mölzer, Gudenus junior und anderen.

Die FPÖ hat kein Programm, sie bietet keine Lösungen, sie spaltet die Gesellschaft durch das gezielte Wecken der niedersten Instinkte, zu denen Menschen fähig sind.

All das reicht aus, um sich von der FPÖ abzugrenzen. Um zu sagen: Sorry, aber das ist völlig jenseitig, wider jegliche Vernunft, solche Positionen kann man durch eine Zusammenarbeit nicht legitimieren oder salonfähig machen. Es gibt eine rote Linie, die wird nicht überschritten.

Weil es Anstand geben muss

Manche SPÖler meinen, dass man mit der FPÖ ja nicht könne, weil sie bewiesen hätte, dass sie es nicht könne und sich FPÖler die Taschen voll gestopft hätten. Ja, das stimmt. Ohne Zweifel. Aber würde das im Gegenzug bedeuten, dass eine Zusammenarbeit mit der FPÖ, wenn sie "sauber" wäre, also wenn sie die Staatskasse nicht ausräumen würden, plötzlich in Ordnung wäre? Das ist grundfalsch – und völlig egal. Denn sie ist aufgrund ihres Stils, ihrer Inhalte, ihrer Hetze niemals ein potentieller Partner. Weil es so etwas wie Anstand geben muss.

Wenn ich etwa entscheide, monogam zu leben, grenze ich dann die anderen aus? Oder grenze ich Fische aus, weil mir Fisch nun mal nicht schmeckt? Es ist ein absoluter Schwachsinn, von der Ausgrenzung der FPÖ zu reden. Es gibt nur eine einzige Schuldige an der Situation, dass die SPÖ nicht mit der FPÖ koalieren kann: die FPÖ, deren Programm und deren Protagonisten selbst. Sonst niemand.

Ins Stammbuch geschrieben

Und wenn jetzt wieder Genossen daherkommen, wie zum Beispiel Josef Kalina und andere, die ständig die taktische Frage diskutieren, dann schreibe ich ihnen Folgendes ins Stammbuch:

Eine Sozialdemokratie, die ihre Werte ernst nimmt, entschlossen Politik für jene macht, die ihre Hoffnung in sie setzen; eine Sozialdemokratie, die offen anspricht, dass sie Fehler gemacht hat und viel zu lange neoliberalen Rattenfängern als Komplizin beigestanden hat; eine Sozialdemokratie, die sich etwa zum Ziel setzte, die Besteuerung von Arbeit so niedrig wie möglich, die Besteuerung von leistungslosen Einkommen so hoch wie nötig vorzunehmen, und dies auch umsetzte; eine Sozialdemokratie, deren Führungspersonal alle Kraft aufwendete, um den Menschen da draußen zu erklären, warum welche Schritte für die Zukunftsfähigkeit Österreichs gesetzt werden müssten; eine Sozialdemokratie, die genau und konsequent erklärt, warum sie heute notwendiger gebraucht wird, als je zuvor; eine Sozialdemokratie, die innerparteiliche Demokratie lebt und sich öffnet, den Kontakt zu Künstlern und Intellektuellen wieder sucht und nicht meidet; eine Sozialdemokratie, die nicht nur von Gleichstellung faselt und diese beim ersten Mandatsnachrückungskampf opfert und damit unglaubwürdig wird, sondern sie konsequent vorantreibt; eine Sozialdemokratie, die sich auf einen reformistischen Kurs begibt und bevor sie eigene Grundsätze aufgibt, lieber in Opposition geht, um stärker als zuvor zurückzukehren; eine Sozialdemokratie, die einfach das tut, was sich ihre Gründerväter einst dachten. So eine Sozialdemokratie braucht auch aus taktischen Gründen niemals an eine Koalition mit der FPÖ zu denken, da es eine Sozialdemokratie wäre, die im Wählerzuspruch meilenweit von jetzigen Werten entfernt läge und sich ihre Juniorpartner selbst aussuchen könnte.

Im Übrigen ist das ganze Schauspiel natürlich ein Riesendilemma für die SPÖ. Was setzt sich durch? Taktische, machtpolitische Überlegungen oder das Bekenntnis zu den eigenen Werten und diese glaubwürdig, konsequent auf allen Ebenen zu leben? Man darf das Schlimmste befürchten. (Rudolf Fußi, 16.6.2015)