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Wurde in Berlin uraufgeführt: Autor Ferdinand Schmalz.


Foto: uniT/Rappel

Berlin - Den Rhythmus gibt sie sogleich - mitten auf der Bühne des Deutschen Theaters Berlin postiert - sehr eindringlich vor: die Perkussionskünstlerin Katharina Ernst. Auch für den nun folgenden Mittelstreifen-Blues des Fernfahrers. Daniel Jesch swingt dabei mit müden Augen im bärtigen Gesicht: Ein Schmetterlingskadaver, erzählt er, habe seine Windschutzscheibe verschmiert, dann sei er auf der Autobahn plötzlich in einen Unfall verwickelt worden. Ein umgekippter Lastwagen mit einer Ladung von Fleischkonserven habe ihn verursacht.

Einen so starken Eindruck wie am Beginn kann Ferdinand Schmalz' Theaterstück dosenfleisch im Folgenden nicht mehr hinterlassen. Ob auf der Bühne Lebende oder tote Unfallopfer als Figuren agieren, wird auch im Weiteren nicht klar. dosenfleisch jedenfalls scheint in einer Autobahnraststätte an einer unfallträchtigen Todeskurve zu spielen, auch wenn die Bühne (Fatima Sonntag) eher abstrakt gehalten ist. Einen Versicherungsangestellten (Tino Hillebrand), der über die Ausprägungen von Wunden Statistiken führt, eine erfolgreiche Schauspielerin (Frida-Lovisa Hamann), die einen spektakulären Unfall überlebt hat, und die Raststättenpächterin (Dorothee Hartinger), die womöglich gleichzeitig eine Aktivistin gegen die Autobahn ist, lernt man kennen.

Abstrakta ohne Erdung

Was die Personen miteinander verbindet, wird kaum deutlich. Vielleicht hätte man dosenfleisch als skurriles Volksstück etwas mehr erden können, aber Regisseurin Carina Riedl stellt vor allem die sprachlichen Posen der Untoten aus. Vermutlich aber böte auch das Kasino des Burgtheaters für Schmalzens Sprachkonzert den besseren, intimeren Rahmen als die große Bühne des Deutschen Theaters Berlin, auf der die Uraufführung stattfand.

Peter Michalzik, der Sprecher der Jury, die dosenfleisch aus 207 eingesandten Texten auswählte, hatte eine "Sprechkrise" des Theaters diagnostiziert und will nun bei den Berliner Autorentheatertagen vor allem die "Sprache der Bühne" ins Zentrum rücken. Als Sprachkünstler sieht sich wohl auch Schmalz selbst in erster Linie - und übernimmt sich.

Es "palmetshofert" jedenfalls sehr, wie man die auch bei seinem Dramatikerkollegen Ewald Palmetshofer beliebten Substantivierungen und manierierten Wortstellungen bezeichnen könnte. Penetrant, fast ein wenig schulmeisterlich werden "Verkehr", "Versicherung", "Unfall" als existenzielle Metaphern abgeklopft. Das ermüdet, der schwarze Humor hält sich in Grenzen. Doch zugegeben: dosenfleisch sind wir "Autofahrer unterwegs" in unseren Blechkisten ja in der Tat. (Bernhard Doppler, 15.6.2015)