Telfs – Wenn sich bloß immer alle so lieb hätten. In der eigentlichen Sperrzone vor der Einfahrt des Interalpen-Hotels in Telfs-Buchen wird sich geherzt, getanzt, gesungen, geschunkelt, "jetzt gaaanz laut Peace" - "Piiiiiiieeeeesssss" geschrien. Die vielleicht friedlichste Friedensveranstaltung, die Tirol je gesehen hat.

Aber war da nicht noch was? Auf einem der Transparente ist es zu lesen: "Bilderberger! Finanzkontrolllobby! Konzernlobby! Militärlobby". Ein paar hundert Meter entfernt liegt die offizielle Konferenzstätte des inoffiziellen Bilderberg-Treffens, zu dessen Schutz derzeit angeblich bis zu 2.100 Polizisten in Tirol stationiert sind.

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Auch dabei: die ehemalige deutsche Pegida-Sprecherin Kathrin Oertel, die sich nun "selbst bekehrt" hat.
Foto: APA / Angelika Warmuth

Red Bull trinkende Kapitalismuskritiker

Die erste Protestveranstaltung gegen das Zusammentreffen von hochrangigen Politikern, Wirtschaftsbossen, Wissenschaftern und Militärs war dann allerdings so harmlos, dass es einem fast Freudentränen in die Augen trieb: Die Kapitalismuskritiker tranken Fanta und Red Bull, die sonst Bullen genannten entpuppten sich als freundliche Wachleute, die sich regelmäßig nach dem Befinden ihrer Schützlinge erkundigten.

Schlussendlich wurde auch noch genehmigt, dass nicht nur - wie eigentlich gestattet - sechs Wagen mit Protestlern nach oben vors Hotel durften, sondern noch ein paar Mal geshuttelt werden konnte. Am späten Freitagnachmittag waren dann rund fünfzig sich Versammelnde und zirka halb so viel an Medienleuten anwesend.

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Polizei und Protestler standen sich zumindest bei der ersten Versammlung gegen die Bilderberg-Konferenz definitiv nicht im Weg.
Foto: Reuters / Leonhard Föger

Unerwartete Gäste

Angemeldet wurde die Demonstration von dem Innsbrucker Klaus Schreiner, der sich vor allem an der Intransparenz der Bilderberger-Konferenz stößt. Und an den hohen Polizeikosten für die "angebliche Privatveranstaltung", wie er sagt. Er lud Leute von der Friedensmahnwache Innsbruck, Linz und Berlin, drei Musiker ein. Ein paar Leute, die er kennt, kamen aus München angereist.

An seiner öffentlichen Versammlung nahmen aber auch einige unangekündigte Gäste teil: Kathrin Oertel, zum Beispiel. Die ehemalige Sprecherin der deutschen Pegida-Bewegung. Losgelöst und mit wallendem Haar saß sie auf einer Bank. "Pegida war ein Fehler. Ich habe mich selbst bekehrt. Jeder sollte sich von seiner Ideologie befreien", erklärt sie im Gespräch. Massenmedien hält sie allerdings weiterhin für "Verdreher und Verblender".

Sie fand sich in wohl ganz neuer Umgebung wieder. Neben ihr stand eine Gruppe von Menschen, die sich als "energetische Heiler" bezeichneten und mit voller Inbrunst ein freundliches Lied gegen die Konferenz anstimmten. Auch hier der wesentliche Inhalt: "Pieesss".

(Katharina Mittelstaedt, 12.6.2015)