"Das hat mit einer Marktwirtschaft nichts zu tun." Verbund-Chef Wolfgang Anzengruber ist kein Freund der breiten Förderlandschaft am Energiemarkt.

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Wien - "Der Energiesektor befindet sich an einem Scheideweg. Geht es in Richtung Planwirtschaft oder Marktwirtschaft?" Diese Frage stellt sich Wolfgang Anzengruber, Vorstandsvorsitzender der Verbund AG und ein Freund liberalisierter Märkte, bei einer Diskussionsrunde im Klub der Wirtschaftspublizisten. Zurzeit zahlten sich nur Investitionen in jene Bereiche aus, die auch staatlich gefördert würden. "Das hat mit einer Marktwirtschaft nichts zu tun", so Anzengruber. Dass es ohne staatliche Eingriffe nicht ginge, sei ihm bewusst. Anstatt der ganzen Förderungen, die den Markt nur verzerrten, hätte der Verbund-Chef lieber ein Quotenmodell. Darin könne festgelegt werden, dass der Anteil an erneuerbaren Energien jedes Jahr um beispielsweise ein Prozent erhöht werden müsse. Das Ziel würde somit dasselbe bleiben, man würde aber einen marktfreundlicheren Weg beschreiten.

Einschränkung des freien Marktes

Auch innerhalb der Europäischen Union (EU) müsse man darauf abzielen, die Energieunion, also einen harmonisierten, freien Markt auf EU-Ebene, voranzutreiben. Hier befürchtet Anzengruber rückläufige Tendenzen. Deutschland, aber auch zum Beispiel Polen, spielten bei dieser Idee zurzeit nicht wirklich mit. Hier gebe es Bestrebungen, die Energiemenge, die über nationale Grenzen geschickt werden dürfen, zu beschränken. "Da müssen wir als Österreich massiv dagegenhalten", meint Anzengruber. Ansonsten würden sich die Strompreise in Österreich spürbar verteuern, während sie in Deutschland niedrig bleiben würde - ein klarer Nachteil nicht nur für Privatpersonen, sondern auch für die Industrie. Jochen Homann, Präsident der deutschen Bundesnetzagentur, kann solchen Befürchtungen nicht bestätigen. "Deutschland wird hier keine einseitigen Maßnahmen setzen - nur mit Österreich gemeinsam", sagte Homann bei einem Vortrag in Wien zur Frage des Engpassmanagement an der österreichisch-deutschen Grenze.

100 Prozent CO2-frei

Erklärtes Ziel der Verbund AG ist es, Strom zu 100 Prozent CO2-frei herzustellen. Zurzeit liege man bei 95 Prozent. Mit Ende April war man in Dürnrohr ausgestiegen, jetzt gibt es nur mehr den Standort Mellach in der Steiermark, wo noch mit fossilen Energieträgern Strom erzeugt wird. Der Verbund wollte das Gaskraftwerk Mellach eigentlich einmotten lassen, was mittels einer einstweiligen Verfügung seitens der Energie Steiermark aber verhindert wurde. Anzengruber erwartet in circa zwei Monaten ein Urteil im dazu laufenden Schiedsverfahren. Darin soll geregelt werden, ob der Betrieb des Kraftwerks weitergeführt werden muss und falls ja, wer die Kosten dafür zu tragen hat. (APA/ama, 12.6.2015)