Astana/Wien - Ein ehemaliger Mitarbeiter von Rachat Alijew hat den Ex-Botschafter Kasachstans in Wien im Prozess um die Ermordung zweier kasachischer Banker belastet. Nachdem Aliyev in Haft gekommen war, habe er beschlossen, sich "nicht mehr weiter zu verstecken", sagte Tulegen Imashev am Donnerstag im Wiener Landesgericht. Auffällig fand das Schwurgericht jedoch die von ihm geschilderte "Beziehung" zu Aliyev.

Imaschew, der zum Tatzeitpunkt als Assistent Alijews im kasachischen Außenministerium arbeitete, war nach eigenen Angaben am Tag des Verschwindens von Zholdas Timralijew und Ajbar Chasenow "überraschend" von Alijew zum Abholen eines Dienstwagens zu dessen Wohnung bestellt worden. Aliyev habe ihn dann gefragt, ob er vorher schon Festnahmen durchgeführt hätte. "Ich habe keine Angst", als früherer Mitarbeiter des kasachischen Geheimdienstes habe er das schon gemacht, versicherte er seinem damaligen Vorgesetzten.

Daraufhin hätte er im Auftrag Alijews zur Nurbank fahren und auf einen Anruf Koschljaks warten müssen. In dem Gebäude wurden laut Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Wien die beiden Banker von Aliyev festgehalten und zum Verschwinden von Bankvermögen befragt. Danach sollen sie der Anklage zufolge in die Residenz Alijews verschleppt, misshandelt und am Ende umgebracht worden sein.

Als der Anruf Koshlyaks nach längerer Zeit nicht kam, habe er Alijew angerufen. Sichtlich verwundert über diese Aussage stellte der vorsitzende Richter Andreas Böhm fest, dass Imaschev offensichtlich eine "andere Beziehung" zu Alijew gehabt haben musste, als alle zuvor vernommenen Zeugen. Diese hätten stets mit einer gewissen Ehrfurcht über den ehemaligen Schwiegersohn des kasachischen Präsidenten Nursultan Nasarbajew gesprochen ("Mit dem Alijew spricht man nicht").

Später habe er Aliyev auch gefragt, was da in der Nurbank vor sich gehe, erzählte Imashev dem Gericht. Dieser habe ihm geantwortet, er solle sich "keinen Stress" machen, Mitarbeiter von der Bank hätten Geld gestohlen. Richter Böhm fragte auch hier unter Verweis auf eine frühere Zeugenaussage, in der Imashev angab, Alijew kaum gekannt zu haben, nach: "Warum trauten Sie sich, Alijew anzusprechen?" Alijew habe ihm vermutlich aufgrund seiner Vergangenheit beim KNB vertraut.

Nachdem Timraliyev und Khasenov am 31. Jänner 2007 aus der Nurbank in die Residenz Alijews gebracht wurden, war Imaschew nach eigener Aussage vor allem mit der Bewachung der beiden Banker beauftragt. Dabei hätte er den beiden Gefangenen zwei Mal am Tag Tabletten verabreichen sollen - das habe er aber nicht gemacht. "Sie haben es auch gewagt, Befehle von Alijew nicht entgegen zu nehmen?", fragte der Richter Imaschew und fügte hinzu "da sind Sie auch der Erste".

Tage nachdem er von Alijew aus dem "Dienst" entlassen wurde, habe dieser ihm per Telefon versichert, er müsse sich keine Sorgen machen und er würde bei der Botschaft in Österreich arbeiten können, berichtete der ehemalige KNB-Mitarbeiter. Imaschew war dann eigenen Angaben zufolge von Februar bis Mai 2007 in der kasachischen Botschaft in Wien angestellt.

In Kasachstan war Imashev in Abwesenheit im Fall Aliyev zu zehn Jahren Haft verurteilt worden. Imaschev hatte, nachdem Alijew Mitte 2014 in Untersuchungshaft gekommen war, seine Aussage geändert und damit seinen früheren Chef belastet. Auf die Frage, warum er den österreichischen Behörden bei seinen zahlreichen Einvernahmen nicht "gleich die Wahrheit" gesagt habe, antwortete er: "Damals hat mir Aliyev gesagt, ich soll meinen Mund halten".

Die Verteidigung vermutete hinter der detaillierten Schilderung Imaschews die kasachischen Behörden. Dieser konnte sich im Zuge der Vernehmung beispielsweise genau an die Nummerntafel des Autos Aliyevs vom Tatzeitpunkt erinnern. Dass er sich soviel merke, liege an seiner KNB-Ausbildung. Auf die Nachfrage der Verteidigung, wie so eine Ausbildung konkret aussehe, antwortete er, das könne nicht jeder.

Nachdem Alijew in der Haft verstorben war, sitzen nur mehr der ehemalige Chef des kasachischen Geheimdienstes Alnur Mussajew und Vadim Koschljak, zuletzt Alijews Sicherheitsberater, auf der Anklagebank. Koshlyak erwähnte Imashev öfters in seiner Zeugenaussage, Mussayev hingegen sah er bei den Geschehnissen im Frühjahr 2007 nicht.

Mussjaw gab kurz vor Schluss zu Protokoll, ihm habe der KNB auch so eine Geschichte erzählt, wie sie Imaschew heute vorgetragen hätte. "Wie haben sie gelernt, so einen Text auswendig zu lernen?", fragte er den Zeugen. Dieser verneinte diese Anschuldigung.

Begonnen hatte der 25. Verhandlungstag mit den Schilderungen des Sachverständigen Richard Scheithauer. Auf Rückfrage des Richters gab dieser an, dass die Ergebnisse nicht einem möglichen Sterbedatum Jänner 2007 widersprechen würden. Nach der Messung mit der Halbwertszeit-Methode gebe es eine Zwei-Drittel-Wahrscheinlichkeit, dass die Ergebnisse des Gerichtsmediziners Daniele Risser stimmen, sagte der für ein chemisches Gutachten zuständige Sachverständige.

Risser war bei seiner Untersuchung auch zu dem Schluss gekommen, die Leichen der beiden Banker seien so konserviert gewesen, als ob die Täter erreichen wollten, dass sie gefunden und identifiziert werden. Auf die Frage der Staatsanwaltschaft, ob die Entsorgung der Leichen "professionell" gewesen wäre, antwortete Scheithauer: "Wenn ich die Absicht habe, eine Leiche verschwinden zu lassen, dann hätte ich das anders gemacht." Die Versorgung der sterblichen Überreste in Verbindung mit Kalk - wie es bei den beiden Bankern geschehen war - hätte eher eine "Verzögerung" des Verwesungsprozesses herbeigeführt.

Der Prozess wird kommenden Donnerstag fortgesetzt. (APA, 11.6.2015)