Wien - Russland ist das einzige Land Mittel- und Osteuropas, aus dem im Vorjahr mehr ausländische Direktinvestitionen (FDI) abgezogen wurden als neu zugeflossen sind. Die Zuflüsse fielen auf ein Drittel des Vorjahresniveaus, die Abflüsse betrugen etwa zwei Drittel. Der Kapitalabfluss betrug 26,7 Mrd. Euro - und mit weiterer Kapitalflucht sei zu rechnen, sagte WIIW-Volkswirt Gabor Hunya am Donnerstag.

"Enorme Summen verlassen das Land ohne zurückzukehren", sagte Hunya. "Bisher war es so, dass sie das Land verlassen haben, in Zypern in einer Konzernzentrale gelagert worden sind und dann größtenteils zurückgeflossen sind. Jetzt gibt es keinen Rückfluss mehr."

Insgesamt sind die FDI-Zuflüsse in den großen GUS-Ländern Russland, Ukraine, Weißrussland und Kasachstan sowie in Moldawien um 61 Prozent eingebrochen. In Russland betrug der Rückgang 70 Prozent, in der Ukraine 81 Prozent. Die Nettozuflüsse in die Ukraine sind auf nur noch 226 Mio. Euro gesunken.

Von den neuen EU-Mitgliedsländern verzeichneten 2014 vor allem Tschechien, Polen und Ungarn einen Anstieg bei den ausländischen Direktinvestitionen. Insgesamt gab es in die neuen EU-Länder einen Nettozufluss von 19,22 Mrd. Euro. Südosteuropa konnte 7,34 Mrd. Euro an zusätzlichen Direktinvestitionen aus dem Ausland anziehen.

Weltweiter Rückgang

Weltweit seien die ausländischen Direktinvestitionen im Vorjahr etwas zurückgegangen, und sowohl die aktive als auch die passive FDI-Tätigkeit hätten sich in Richtung Schwellenländer verlagert, so die Analyse der WIIW-Experten.

Österreich ist noch immer der drittwichtigste Investor in den neuen EU-Mitgliedsländern und in Südosteuropa, nach Holland und Deutschland. Der Anteil der Region an den österreichischen FDI insgesamt ist aber seit 2007 von etwa zwei Dritteln auf ein Drittel gesunken.

"Die größten Empfängerländer und Investoren sind die USA und China", sagte Hunya. "China ist in letzter Zeit auch als Outward-Investor der Zweitgrößte nach den USA geworden." Die chinesischen FDI hätten sich seit 2008 auf rund 100 Mrd. Euro verdoppelt, sagte Hunya. In jüngster Zeit hätten die Chinesen begonnen, sich auch in den Ländern Mittel-, Ost- und Südosteuropas zu positionieren. Der Gesamtanteil Chinas und Hongkongs an den FDI-Beständen in diesen Ländern sei aber mit 0,1 Prozent noch immer marginal. In Russland beträgt er 1 Prozent, in Kasachstan 3 Prozent. Vor allem die großen Rohstoffreserven und große landwirtschaftliche Flächen würden Kasachstan für die Chinesen interessant machen, erklärte Hunya.

Für das laufende Jahr erwartet das WIIW, dass das weltweit verhaltene Wirtschaftswachstum auch die FDI bremsen wird. "Aber es ist interessant, dass die europäische Wirtschaft in eine leichte Erholungsphase gekommen ist und auch die neuen Mitgliedsländer", so Hunya. Seine nächste Konjunkturprognose für die Länder Mittel-, Ost- und Südosteuropas präsentiert das WIIW am 2. Juli. (APA, 11.6.2015)