Was im Burgenland geschah, ist nicht Ursache, sondern bloß Symptom dessen, was seit Tagen diskutiert wird. Es wurde im Zuge der Debatte immer wieder darauf hingewiesen: Eine rot-blaue Koalition auf Länderebene ist nicht Neues. Das gab es bereits 2004 in Kärnten zwischen Jörg Haider und Peter Ambrozy. Der Unterschied ist indes, wie die Zentrale in der Löwelstraße darauf reagierte. Die Bundespartei kapituliert diesmal vor dem Pakt in Eisenstadt. Ihre Kommentare sind erbärmlich.

Norbert Darabos, eben noch Bundesgeschäftsführer, verweist nicht auf den Parteitagsbeschluss, sondern bekräftigt den Verstoß dagegen, um sich auf das positive Experiment mit den Freiheitlichen zu freuen, wobei er zugleich behauptet, das Burgenland sei einzigartig und unvergleichbar. Was für eine verquere Logik! Ist das Burgenland nun ein Sonderfall oder der Probelauf für etwaige weitere rot-blaue Wunder, die wir erleben sollen?

Josef Kalina, seit Jahren nicht mehr Spitzenfunktionär der SPÖ, taucht miteins aus der Versenkung auf, um die Eisenstädter Rochade zu rechtfertigen. Josef Cap, dereinst Klubobmann, gibt nun bei Im Zentrum Straches Beiwagerl und darf sich vom freiheitlichen Parteiführer gegen alle Kritik verteidigen lassen. Der Parteivorsitzende Werner Faymann wiederum tut, als habe er mit einer Landesorganisation gar nichts zu tun. Der Kanzler scheint schon so sehr abgedankt zu haben, dass er fast der Einzige ist, der es noch nicht bemerkt hat.

Sicher: Teile der Sozialdemokratie, ob Karl Schlögl oder Hans Niessl, hoffen schon seit langem auf eine Annäherung an die Freiheitlichen. Es sind nicht nur taktische Überlegungen, die sie hegen. Schlögl war einst Haiders bester Mann in der rot-schwarzen Regierung. Niessl kämpfte schon 2009 gegen ein Flüchtlingsheim im Burgenland. Wen wundert's, wenn neben ihm der freiheitliche Konkurrent recht gemäßigt wirkt? Rechts von Niessl ist es halt ein wenig eng.

Die Traditionslinie des Ressentiments war in der SPÖ seit jeher vorhanden, obgleich sie immer auch auf eine starke Ablehnung stößt und schwächer ausgeprägt gewesen sein mag als in der ÖVP. Bekannt sind die antisemitischen Aussagen des Innenministers Oskar Helmer, der nach 1945 keine Empathie für Juden, doch viel Mitgefühl für Naziverbrecher zeigte.

Enge Kontakte zur FPÖ unterhielt bereits in den Sechzigern der ÖGB-Präsident und nachträgliche Innenminister Franz Olah, als er den Freiheitlichen im Geheimen eine Millionenspende an Gewerkschaftsgeldern zukommen ließ. Zuvor hatte Olah schon die Gründung der Kronen Zeitung auf solch trübe Weise ermöglicht. Als er nach seinem Parteiausschluss für eine eigene Liste kandidierte, schreckte er bei Wahlveranstaltungen nicht vor antisemitischen Ausfällen zurück. Franz Olah stolperte über seine illegalen Transaktionen, doch der Ungeist, sich mit dem Boulevard und den Rechtsrechten gemeinzumachen, wurde innerhalb der heimischen Sozialdemokratie - ob bei Löschnak oder bei Schlögl - nie ganz überwunden.

Verkörpertes Wertevakuum

Faymann gehört keineswegs zu dieser Riege rechter Genossen; vielmehr ist er, der gute Freund des Hans Dichand, ein Ritter der reinen Leere, der Substanzlosigkeit. Niemand vermag das Wertevakuum heimischer Politik überzeugender zu verkörpern.

Wozu die Aufregung, sagen manche. In der Regierung könnten die Freiheitlichen entzaubert werden, meinen sie. Noch laborieren wir an den Verheerungen von Schwarz-Blau, womit nicht nur die katastrophalen Finanzskandale von Buwog über Telekom bis Hypo Alpe Adria gemeint sind, da sehnen sich viele nach einer weiteren Koalition mit der FPÖ.

Die Ausgangslage ist jedoch eine ganz andere als im Jahr 2000. Strache ist in einer viel komfortableren Situation als Haider, der einst nur auf Schüssel und die ÖVP hoffen konnte. Inzwischen ist eingetreten, wovor damals gewarnt worden ist: Der rechte Populismus wurde durch Schwarz-Blau legitimiert. Die EU ist zudem nicht mehr jene, die sie war: Die Finanzkrise entzweit den Kontinent. An den Grenzen Europas Kriege und Verfolgung. Die Union steht in Konflikt mit Putin. Rechtsextreme, teils gar neonazistische Parteien gewinnen an Zulauf.

In dieser Situation buhlen nun Rot und Schwarz zugleich um Strache, doch der kann ruhig warten. Haider war der extremere Charakter, der ohne tägliche Provokation nicht leben konnte, wohingegen Strache nur ein radikal normaler und normal radikaler Rechter ist, der sich halt bloß nach mehr Ruhe und Ordnung sehnt, als unserer Demokratie und dem Rechtsstaat guttut.

Politisches Eigentor

Die sozialdemokratischen Meisterdribbler haben sich selbst ausgetrickst. Das ist der Fallrückzieher zum politischen Eigentor. Das Publikum pfeift, doch der Teamchef applaudiert. Von nun an wird bei jeder Landtagswahl gerätselt werden dürfen, wer mit den Freiheitlichen demnächst koaliert. Heinz-Christian Strache kann sich aussuchen, wann er mit wem das Land übernimmt. Er kann auf Zeit spielen. Sie arbeitet für ihn, solange alle zwar wie Lionel Messi mit dem Ball zaubern, doch dabei leider aufs falsche Goal zielen. (Doron Rabinovici, 10.6.2015)