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Nahe der Frontlinie zu den von russischen Separatisten beanspruchten Gebieten in der Ostukraine gehört der Krieg längst zum Straßenbild.

Foto: REUTERS/Gleb Garanich

Schwarze Wolken über Kiew. Stundenlang versuchte die Feuerwehr vergeblich, den Brand in einem Treibstofflager südwestlich der ukrainischen Hauptstadt unter Kontrolle zu bekommen. Die Flammen griffen immer weiter um sich und breiteten sich schließlich auch auf ein benachbartes Waldstück aus. 16 Treibstoffzisternen sind verbrannt, vier Feuerwehrleute bei Explosionen ums Leben gekommen, über ein Dutzend Menschen wurden verletzt, und in Kiew ging schwarzer Regen herab.

Das Unglück, dessentwegen Präsident Petro Poroschenko den Notstand ausrufen musste, ist symptomatisch für die derzeitige Krise in der Ukraine, wo sich ständig neue Brandherde entzünden. In der Ostukraine ist trotz des Waffenstillstandsabkommens keine Ruhe eingekehrt, seit Anfang Juni wird wieder mit schweren Waffen gekämpft. Am Dienstag berichteten die Konfliktparteien über Gefechte entlang fast der gesamten Frontlinie. Die aktivsten Kampfhandlungen wurden aus Awdejewka, Horliwka, Krymskoje, Marjinka und Schirokino gemeldet.

Vorsichtige Annäherung

Diplomatisch gibt es immerhin eine vorsichtige Annäherung: Die Rebellen haben neue Vorschläge zur Verfassungsänderung der Ukraine an die Kontaktgruppe geschickt. Hatten Separatistenführer wie Alexander Sachartschenko bisher stets auf dem Recht einer Abspaltung der Donbass-Region beharrt, so heißt es in dem neuesten Konzept: "Einzelne Gebiete mit Sonderstatus oder ihre Vereinigungen bleiben unveräußerlicher Bestandteil der Ukraine." Ihre Rechte und Freiheiten sollten durch eine Abmachung mit der ukrainischen Regierung festgelegt werden. Die Macht in der Region sollen laut diesem Vorschlag aber weiterhin Sachartschenko und das Oberhaupt der "Luhansker Volksrepublik" Igor Plotnizki ausüben.

Die jüngste Offerte steht weitgehend in Einklang mit der offiziellen Position Moskaus in dem Konflikt. Trotz der von russischen Medien lancierten expansionistischen "Neurussland"-Visionen hat Präsident Wladimir Putin die Gebiete Donezk und Luhansk formell stets zur Ukraine gezählt (und auch deren Unterhalt von Kiew gefordert). Moskau verlangt aber weitreichende politische Unabhängigkeit der militärisch von den Rebellenmilizen kontrollierten Region, die zugleich außenpolitische Entscheidungen Kiews - wie den dort betriebenen Nato-Beitritt - blockieren können soll.

Lösung globaler Probleme "nur mit Russland möglich"

Zwar betont Moskau, in den Ukraine-Konflikt nicht involviert zu sein, andererseits ließ die russische Führung ihren Einfluss auf das Nachbarland schon bei der ärgerlichen Reaktion auf die Ausladung vom G7-Gipfel und neue Sanktionsdrohungen durchblicken: Kremlsprecher Dmitri Peskow verspottete die G7 als "ineffektiv". Ohne Russland wäre die Lösung globaler Probleme ohnehin nicht möglich, sagte er mit Blick auf die Ukraine.

Die Beziehungen zwischen den beiden Nachbarn drohen sich dabei weiter zu verschärfen. Grund ist der Streit um die Friedensmission der Russen in der von Moldau abtrünnigen Region Transnistrien. Kiew sieht in den russischen Truppen dort - nahe der Grenze zu Odessa - einen Destabilisierungsfaktor. Poroschenko hat daher nun den Transit russischer Soldaten und Militärgüter in die Region verboten.

Scharfe Kritik aus Moskau

Das russische Außenministerium hat den Schritt scharf kritisiert. Die Ukraine verstoße damit gegen ihre eigenen Verpflichtungen als Garant des Friedens in Moldau, hieß es. Die russische Wochenzeitschrift Sowerschenno Sekretno ("Streng geheim") schrieb daraufhin, noch sei die Versorgung der russischen Soldaten in Transnistrien gesichert, doch auf Dauer sei selbst ein militärisches Durchbrechen der Blockade nicht ausgeschlossen.

Poroschenko ficht in Kiew allerdings bei weitem nicht nur mit Kremlchef Putin, sondern auch gegen aktuelle und ehemalige Mitglieder der eigenen Führungsspitze. Dabei spitzt sich hinter den Kulissen derzeit besonders der Konflikt mit dem Oligarchen und Ex-Gouverneur von Dnepropetrowsk Ihor Kolomoisky zu. Nachdem Poroschenko zuletzt dessen Vertrauten Igor Paliza als Gouverneur von Odessa entlassen und den Posten mit Michail Saakaschwili besetzt hatte, revanchierte sich Kolomoisky mit einem Überfall rechter Schläger auf die Gay-Parade in Kiew, um Poroschenko im Westen zu diskreditieren. (André Ballin, 9.6.2015)